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Romanische Studien

unier Mitwirkung der Herren Universitätsprofessoren: Ph. A.. Becker, M. Friedwagner, A. Stiiiimliitr, R. Zenker u. a.

herausgegeben

ven

Dr. E. £ b e r i n g

Heft 20 '

Der Trobador Elias Cairel

Kritische Textausgabe mit Ueber Setzungen und Anmerkungen,

sowie einer historischen Einleitung, an die sich metrische und

stilistische Untersuchungen anschließen.

Von Dr. phil. Hilde Jaeschke,

Berho 1021

Der Trobador

Elias Cairel

Kritische Textausgabe mit Uebersetzungen und An- merkungen, sowie einer historischen Einleitung, an der sich metrische und stilistische Untersuchungen

anschliessen.

Von

Dr, Hilde Jaeschke

BERLIN Verlag von Emil Ehering 1921

"IHE INSTITUTE OF KFDIAFVAl STUOICS 10 ELMSLEY PLACE TORONTO 6> CANADA»

SEP 2 4 1931

197

Vorwort.

Die vorliegende Arbeit ist zu einer rechten Kriegs- arbeit geworden. Als ich sie begann, hegte man noch die Hoffnung auf einen nicht allzu fernen Friedensschluß, der es ermöglicht hätte, das gesamte Handschriftenmaterial, vor allem die wichtigen Pariser Handschriften, zu vergleichen. In der, freilich von französischer Seite sogleich bei Beginn des Krieges abgewiesenen Annahme, daß die Wissenschaft außer- halb des Kampfes stehe, habe ich versucht mir Photographien der Pariser Handschriften durch neutrale Vermittelung zu verschaffen. Diese Versuche sind vergeblich geblieben. Nun habe ich mich leider mit den wenigen bereits gedruckten Hand- schriften begnügen müssen. Von der Wiener Abschrift der Hschr. D verschaffte ich mir mit Erlaubnis der k. k. Hof- bibliothek Photographien. Bei der Herstellung der Texte ist in den meisten Fällen Hschr. A zugrunde gelegt worden. In Hinsicht auf die Rechtschreibung schloß ich mich der Stimmingschen Bertran de Born-Ausgabe (2. Aufl.) an, da ja auch Elias Cairel aus dem Perigord stammt. Abweichend von Stimming bin ich in folgenden Punkten verfahren: aus Rücksicht auf den grammatischen Reim (-ans, -ansa; -ens, -ensa) habe ich die Schreibung ns, nicht nz wie Stimming, gewählt, Sodann wich ich von St. ab in der Behandlung der- jenigen Verba, die im Stammauslaut auf eine Media ausgehen. In den Verbalformen, wo diese Media in den Wortauslaut tritt, schreibt St. stets eine Tenuis; ich habe mich dagegen entschlossen obwohl abschließende Untersuchungen noch

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nicht vorliegen, - in den Fällen, wo das folgende Wort mit Vokal beginnt, die Media beizubehalten. Schließlich bin ich von St. in der Behandlung des c vor a abgewichen und habe stets ca, nicht cha geschrieben, da Sarlat, die Heimat des Tro- badors Elias Cairel, dem rfl-Gebiet angehört.1

Die Reihenfolge der Lieder ist diejenige des Grdr. von Bartsch (Nr. 133), da die Datierung der meisten Texte nicht sicher genug ist, um eine chronologische Anordnung zu ge- statten.

Tn den Uebersetzungen ist nichts als eine möglichst wort- getreue Wiedergabe des Textes angestrebt worden.

Notizen über Elias Cairel finden sich bei Jehan de Nostredame, Les vies des plus celebres et anciens poetes provencaux S. 155 (allerdings nicht in seinem 1575 gedruckten Werk, sondern nur in den Hschr. von Carpentras, ed. Chabaneau-Anglade), ferner bei B a r b i e r i , Delforigine della poesia rimata (ed. Tiraboschi) S. 126; Bastero, La Crusca Proveneale S. 82; C reseimbeni, DellTstoria della Volgar Poesia, Vite 11 183; Mi Hot, Hist. litt, des troub. I 378 ff.; Emeric-David, Hist. litt, de la France XIX 492 ff. ; M i 1 a y F o n t a n a 1 s, De los trovadores en Espaf^a S. 154; Balaguer, Historia politica y iiteraria de los Trovadores III 133 ff.; D i e z, Leben und Werke der Troubadours S. 450 ff.

Die vier zuletzt genannten Werke beschäftigen sich aus- führlich mit dem Dichter, bringen aber nichts von besonderer Bedeutung. Wichtig ist aliein die Abhandlung von D e Bartholomaeis, Annales du Midi XVI (1904) 468 ff.

1. H. Suchier in Gröbers Grdr. I. 2. Karte V. P. Meyer, C et g suivis da en Provencal. Etüde de Geographie Linguistique. Rom. 24. 573. G. Lavergne, Docuinents du XIV ieme siecle en Langage de Sarlat. Rom. 37, 421 f. J. Gillieron et E. Edmont, Atlas Linguistique de la France. Bd. V. Karte 221 etc.

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„Un sirventes historique d'Elias Cairel" nebst einer „Note additionnelle sur la date de quelques autres poesies d'Elias Cairel" und als Ergänzung hierzu Bemerkungen desselben Verfassers in M e m o r i e della R. Accademia delle scienze dell'Istituto di Bologna. Ciasse di Scienze Morali. Serie I, t. I (1912) 91, 101, 103 („La Canzone" „Fregz ni Neus" „di Elia Cairel"und „Osservazione suhe Poesie Provenzali relative a Federico IL").

Als ich kurz vor dem Abschluß meiner Arbeit stand, fiel mir zufällig eine Ausgabe der Lieder Cairels von Lavaud in die Hand („Les trois troubadours de Sarrat [Aimeric, Gui- raut de Salignac, Elias Cairel]") in der in Deutschland schwer zugänglichen Zeitschrift „Lou Bournat", Bulletin Mensuel de FEcole Felibr6enne du Perigord. Perigueux (impr. Ribes), T. IV (1910—1911) 391 ff., die mir von Herrn Professor Dr. Schädel, dem Direktor des Hamburger Seminars für roma- nische Sprachen und Kultur liebenswürdigerweise zur Ver- fügung gestellt worden war. Für den Leserkreis einer kleinen Provinzzeitschrift verfaßt, kann die Arbeit Lavauds, obgleich sie aus den Jahren 1910 11 stammt, nicht Anspruch darauf machen, das zu sein, was man heute unter einer Trobador- ausgabe zu verstehen pflegt. Die historischen Notizen, welche allein der Hist. litt, entnommen sind, dürften völlig wertlos sein. Erst vor der Veröffentlichung seines neunten (von vier- zehn!) Liedes scheint dem Verfasser Schultz-Gora, die pro- venz. Dichterinnen (1888) in die Hände gekommen zu sein, denn er versucht jetzt seine im Eingang gemachten hist. An- gaben entsprechend zu modifizieren. Die neuere Literatur, vor allem die Abhandlung von De Bartholomaeis, AdM. XVI (1904) ist Lavaud offenbar unbekannt eine doch recht er- staunliche Tatsache! Was die Texte anbetrifft, so handelt es sich im Wesentlichen um fast unveränderte (gelegentlich ist Hschr. A herangezogen) Abdrucke nach Raynouard und Mahn, Werke; wo solche nicht vorlagen, ist Hschr. A allein oder

PC 3330

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auch ein Abdruck aus Mahn, Gedichte, benützt worden. In- teresse an dieser Ausgabe verdienen allein die zum Teil recht geschickten Uebersetzungen. Diese habe ich nachträglich in ineiner Arbeit berücksichtigt.

Schließlich möchte ich nicht versäumen, an dieser Stelle allen denjenigen herzlichst zu danken, die meiner Arbeit ihre gütige Förderung haben zuteil werden lassen, insbesondere meinem jüngst verstorbenen hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Levy, der stets wohlwollendes Interesse für meine Arbeit zeigte, und Herrn Prof. Dr. Pillet, der mir wichtiges Material zur Verfügung stellte. Zu ganz beson- derem Danke aber bin ich meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Appel verpflichtet, der die vorliegende Arbeit anregte und mich bei ihrer Abfassung mit Rat und Tat in liebenswürdigster Weise unterstützte.

Hilde Jaeschke.

Einleitung: Lebensnachrichten.

Ueber das Leben des Trobadors Elias Cairel wissen wir wenig. Die Handschriften bringen zwei Vidas, die zwar teil- weise dieselben Angaben enthalten, jedoch in einem gewissen Gegensatz zu einander stehen1: I. Elias Cairel stammte aus Sarlat,2 einem Orte im Perigord, und war Gold- und Silber- arbeiter, sowie Wappenzeichner. Er wurde Joglar und wanderte lange Zeit durch die Welt, aber er sang schlecht, dichtete schlecht, spielte schlecht Violine und sprach noch schlechter, aber er schrieb gut Verse und Melodien.3 In der Romania war er lange Zeit, und als er sie verließ, kehrte er nach Sarlat zurück und starb dort. (Nach Hschr. AIK).

II. Elias Cairel stammte aus dem Perigord, war ein sehr kluger Mann und war sehr geschickt im Dichten, sowie in allem, was er tun und sagen wollte. Er besuchte den größten Teil der bewohnten Welt, und wegen der Verachtung, die er für die großen Herren und die Welt hatte, wurde er nicht so belohnt, wie es seine Kunst wert war. (Nach Hschr. H.)\

Vergleichen wir beide Vidas im Einzelnen, so ergibt sich, daß Vida AIK die genaueren Angaben macht, während

1. Krit. Originaltexte s. Hauptteil.

2. Arr. Dordogne.

3. Zur Uebersetzung s. Schluß der Einleitung.

4. Vgl. auch Diez, Leben und Werke S. 450 ff.

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H sich recht unbestimmt ausdrückt. Abgesehen von der Mitteilung, daß Cairel aus dem Perigord stammte, erfahren wir in Vida H an Tatsachen nichts, was man, wie wir sehen werden, nicht ebenso gut seinen Liedern entnehmen könnte. Die an die verschiedensten Persönlichkeiten gerichteten Ge- leite werden Anlaß zu der Bemerkung gegeben haben, daß er „den größten Teil der bewohnten Welt" besuchte; Unzu- friedenheit mit den großen Herren sowie Weltverachtung äußert Cairel mehrfach, ich erwähne hier z. B. No. 3 und No. 12, ferner den Schluß von No. 4.

Anders steht es dagegen mit Vida AIK. Zwar können Angaben von Einzelheiten in den Trobadorbiographien bis- weilen den Schein einer nicht vorhandenen Wahrheit vor- täuschen, doch handelt es sich hier um einen so wenig roman- haften, so nüchtern - sachlichen Bericht,5 daß wir ihm Glauben schenken können, zumal da wir die Richtigkeit der Angaben durch verschiedene Momente bestätigt finden.

Daß Sarlat Cairels Heimatsort war, wird durch eine sprachliche Erscheinung wahrscheinlich gemacht: No. 12, 2 findet sich in Hschr. A vei als 3. sg. prs. ind. von vezer, eine Form, die bei Aimeric von Sarlat, Cairels Landsmann und Zeitgenossen im Reim belegt ist, weshalb ich die Schreibung in A nicht für einen Zufall oder Schreibfehler halten möchte. Näheres s. Anm. zu 12, 2.

Ferner halte ich die Bemerkung über einen Aufenthalt Cairels in der Romania mit aller Wahrscheinlichkeit für Ueberlieferung und nicht den Gedichten entnommen, denn in diesem Falle hätte der Verfasser eher im Anschluß an No. 2, 6 und 50 „terra grega" gesagt, auch wenn er No. 9 und die Anspielungen der Geleite, welche sich auf Verhält-

5. Auch Zander, Apr. Prosanovelle S. 27 rechnet diese Vida zu den Biographien einfachster Form, deren karge Angaben der Wahr heit entsprechen dürften.

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nisse der Romania beziehen, verstanden hätte die Versuchung , den gleichen Ausdruck zu wählen , lag doch hier nur zu nahe! Andererseits hätte der Verfasser, wenn er die Geleite als Quelle für Einzelheiten benützte, uns doch noch viel mehr berichten können! So aber hat Cairel für ihn nur den Nimbus des Mannes, der ein fernes Land auf- suchte, einen Nimbus, der ihm im Kreise seiner Mitbürger bis zum Tode anhaftete, als er schließlich zu ihnen zurückkehrte und in ihrer Mitte seine letzten Lebenstage verbrachte.

Die Angabe über den ursprünglichen Beruf des Trobadors scheint mir infolgedessen auch durchaus glaubwürdig.

Die beiden so widerspruchsvollen Urteile über die Kunst Cairels sollen an anderer Stelle besprochen werden.

Viel ist es nicht, was wir aus den Vidas erfahren haben. Die sicherste und bedeutsamste Quelle für Nachrichten über das Leben des Trobadors sind uns seine Gedichte.8 Es sind

6. Zeitgenossen oder Urkunden erwähnen Cairel m. W. nicht, es sei denn, daß man sich die Hypothese Bertonis zu eigen macht, der in dem bei Rambertino Buvalelli VI 62 als Ueberbringer einerKanzone an Beatrice von Este genannten N'Elias" unseren Dichter sehen will. Vgl. die Bertonische Ausgabe Buvalellis S. 10 und Bertoni, I Trova- tori d'Italia S. 54. Für diese Hypothese spricht (nach Bert.), daß von den 5 Trobadors, die den Namen Elias tragen, so viel man weiß, nur Cairel jemals in Italien war, resp. in Beziehung zu italien. Großen stand, und chronologische Bedenken nicht bestehen. Andererseits ist es aber doch gewagt, in jenem N'Elias überhaupt einen und gerade unseren Trobador zu sehen. Nichts deutet darauf hin, daß Cairel Be- ziehungen zum Hofe von Este unterhielt; wir wissen auch garnicht mit Bestimmtheit, ob er je in Oberitalien war, und in welchem Verhältnis er zu den Markgrafen von Monferrat stand, jenem den Este verwandten Hause (ein Moment, das Bert, hervorhebt). Ob Bertoni also mit seiner Vermutung Recht hat, bleibt ungewiß.

Bedeutungslos für dtn Biographen scheint ferner eine Erwähnung Cairels durch den Trobador Arnaut de Maruelh zu sein, der ihn bei

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deren etwa 14 erhalten (die Attributionsfrage wird später be- rührt werden) und 10 von ihnen sind von De Bartholo- maeis, AdM XVI (1904) 468 ff. und Memorie d. R. Acc. d. scienze d. Ist. d. Bologna, Cl. d. Scienze Morali, Serie I Bd. 1 (1912) 91, 101, 103 auf Grund historischer oder persönlicher Anspielungen annähernd datiert worden. Ich beschränke mich also darauf, seine Ergebnisse in kurzer Prüfung zusammen- zufassen.

Die ältesten Lieder, deren Abfassungszeit nachweisbar ist, sind im Orient, also während Cairels Aufenthalt in der Romania entstanden.

' Der Aufenthalt in der Romania.

Ich gebe zunächst einen kurzen Ueberblick über die da- mals dort herrschenden Verhältnisse. Einzelne Punkte werden später noch zu weiteren Erörterungen führen.7

In Byzanz war 1195 Kaiser Isaak durch seinen Bruder gestürzt und geblendet worden, der als Alexios III. den Thron bestieg. 1202 begann jene Kreuzfahrt, welche die abendlän- dischen Ritter im folgenden Jahre zur Belagerung von Kon-

einer Aufzählung seiner Genossen zwischen Giraudon lo Ros und Per- digon nennt. „Anonimo Veneto", Monaci, Testi antichi col. 117 v. 24. Die Arbeit von Teza, Memorie dell'Istitulo veneto di scienze,. lettere ed arti, VI 464, auf die sieh Monaci beruft, war mir leider nicht zugäng- lich, da das Zitat von M. sich als falsch erwies, alle Nachforschungen er- gebnislos blieben, und auch die von V. Crescini veröffentlichte Biblio- graphie (Emilio Teza, Venezia, Ferrari 1014) unzugänglich war.

7. Zum Verständnis des historischen Milieus verweise ich auf folgende Gesamtdarstellungen:

Abriß der byzantin. Kaisergeschichte bei Krumbacher, Ge- schichte der byzantinischen Litteratur von •Justinian bis z. Ende d.

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stantinopel führte. Nach einem vergeblichen Ausfall aus der bedrängten Stadt ergriff Kaiser Alexios III. die Flucht und an seiner Stelle wurden von den Kreuzfahrern Isaak und sein Sohn Alexios IV. wieder eingesetzt. Im Februar 1204 jedoch brach in Konstantinopel eine Revolution aus, die sich sowohl gegen die beiden Herrscher als auch gegen die fremden Ein- dringlinge richtete. Erstere kamen beide ums Leben und ein gewisser Murzuphlos wurde als Alexios V. von dem griechischen Volke erwählt und vom Patriarchen feierlich zum Kaiser gekrönt. Dem Ansturm des Kreuzfahrerheeres

oström. Reiches, Handbuch der klass. Altertumswiss. (I. v. Müller) Bd. IX 1. Abt. München 1897, S. 1035 ff.

Hopf, Geschichte Griechenlands vom Beginn des Mittelalters bis auf unsere Zeit, Leipzig 1868 (Enzykl. von Ersch und Gruber I. Nr. 85 und 86).

Gerland, Geschichte der Frankenherrschaft in Griechenland. Bd. II. 1. Teil Homburg v. d. Höhe 1905 (bes. Kap. 3 und Kap. 20).

Usseglio, II Regno di Tessaglia, Riv. di Storia, Arte, Archeologia della Provincia di Alessandria. Bd. VII (1898).

Hertzberg, Geschichte der Byzantiner und des osmanischen Reiches. Berlin 1883.

Kugler, Geschichte der Kreuzzüge. Berlin 1891.2

Bouchet, La Conquete de Constantinople, Paris 1891. bes. Bd. II. Ferner Eingangskapital der neuesten Darstellungen:

W. Miller, The Latins in the Levant. London, J. Murray, 1908.

A. Gardner, The Lascarids of Nicaea. London (Methuen). Ohne Jahr. (1912).

Die älteren Werke von Ducange, Histoire de l'Empire de Constan- tinople, nouv. ed. revue p. Buchon, Paris 1826, sowie die zahlreichen Arbeiten von Buchon seien nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Bei De Bartholoinaeis, Hopf und Usseglio finden sich reichliche Quellenangaben, auf die ich verweise. Die Quellen selbst sollen hier nur gelegentlich herangezogen werden.

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aber vermochte auch Murzuphlos nicht stand zu halten. Nach einem Ausfall, bei dem sogar das Palladium des Reiches, das vom Patriarchen getragene Gnadenbild der Panagia Hod'e- getria verloren gegangen war, ergriff auch Murzuphlos die Flucht, und am 12. April 1204 fiel Konstantinopel endgültig in die Hände der Kreuzfahrer.

Ein im März desselben Jahres abgeschlossener Vertrag hatte bereits die Teilung der Siegesbeute unter die führenden Parteien geregelt. Venedig, an dessen Spitze der greise Doge Enrico Dandolö stand, nahm neben materiellem Gewinn an Land und Schätzen die Wahl eines römisch-katholischen Patriarchen für sich in Anspruch, die Kaiserkrone sollte auf Grund einer Wahl entweder dem Markgrafen Bonifaz von Monferrat,8 „dem Anführer des Heeres" oder dem Grafen BaJduin von Flandern, „dem Vornehmsten der französischen Grafen'1 zufallen.9

Als auf Retreiben Dandolos die Wahl zugunsten Balduins auszufallen drohte, versprach man dem mächtigen Mark- grafen, dem die lombardischen und deutschen Ritter anhingen, als Entschädigung das Land jenseits des Bosporus bis zur türkischen Grenze und die griechische Halbinsel zu Lehen. Die ersteren Gebiete vertauschte Bonifaz, nachdem die Wahl Balduins zum Kaiser von Konstantinopel tatsächlich erfolgt war, mit der Anwartschaft auf das Königreich Thessalonich,

8. Ueber die Markgrafen von Monferrat s. Desimoni, Giornale Ligustico di Archeoiogia, Storia e Letteratura Bd. V (1878) 241 ff. Bd. XIII (1886) 321 ff. Hopf, Bonifaz v. M., der Eroberer von Kpel., und der Trobador Rambaut von Vaqueiras, Berlin 1877. Geschlechtstafel der Monferrat (sowie der Kaiser von Kpel. jener Epoche) bei Schulz- Gora, Briefe S. 111 (u. S. 96). Litta, Famiglie celebri, Monferrat, Fase. 63. Brader, Bonifaz v. M. bis zm Antritt der Kreuzfahrt (1202); Hist Studien, Berlin, E. Ebering, 1906. 9. Gerland (lib. rit.) S. 2.

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ein Tausch, in den einzuwilligen sich Balduin lange sträubte. Noch galt es jedoch überhaupt das griechische Kaiserreich zu erobern, dessen Hauptstadt bisher allein im Besitze der Kreuzfahrer war. Noch hielten sich ja zwei der griechischen Thronprätendenten, Alexios III. und Murzuphlos im Lande auf, und jeder wartete auf eine günstige Gelegenheit, um die Macht wieder an sich zu reißen. Balduin zog nun mit Heeresmacht aus, besetzte in raschem Siegeszuge Thrakien (vor allem Adrianopel, Didymoteichon und Philippopel) und wandte sich darauf nach Westen. Dadurch erregte er das Mißtrauen des Bonifaz, der mit Dandolo, Hugo von Blois, Conon von Bethune, Gottfried von Villehardouin u. a. zum Schutze der Hauptstadt zurückgeblieben war.10 Er fürchtete, Balduin wolle sein Versprechen in Bezug auf Thessalonich nicht halten, da er es nur widerwillig gegeben hatte. „Auch sonst", schreibt Gerland, S. 22 ff, „spitzten sich die Gegensätze zwischen den beiden Männern mehr und mehr zu: Vom Kaisertum durch die französisch-flandrische Partei ausge- schlossen, wandte sich Bonifaz mit bewußter Absicht den Griechen zu. Die Heirat mit Isaaks Witwe, Maria (Margarete) von Ungarn, war der erste Schritt gewesen11; die Betonung des verwandschaftlichen Verhältnisses zu deren Kindern aus erster Ehe wurde der zweite. Den griechischen Archonten, die sich von Balduin vernachlässigt fanden, mußte es schmeicheln, Isaaks und Marias jugendlichen Sohn Manuel bei Bonifaz in hoher Ehre zu sehen. Diese Politik wurde dem Markgrafen um so leichter, als er durch die Beziehungen seiner Familie an griechische Sitte gewöhnt war." u. s. w Es brach nun ein Streit zwischen Bonifaz und Balduin aus. der dazu führte, daß Bonifaz Didymoteichon besetzte und

10. Gerland (1. c.) S. 21 ff.

11. Noch vor der Krönung Balduins hatte diese Heirat mit dfr Witwe des griechischen Kaisers stattgefunden. Gerland S. 7.

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auch Adrianopel in seine Gewalt zu bringen suchte. Durch Vermittlung des gewandten Dogen Dandolo wurde der Zwist jedoch schließlich beseitigt und Ende September 1204 hielt Bonifaz mit seiner Gemahlin seinen Einzug in Thessa- lonich."

Balduin suchte unterdessen von Konstantinopel aus die Ver- hältnisse des Reiches zu ordnen, jenem Reiche einen festeren Bestand zu geben, dem in der Folgezeit so mannigfache Gefah- ren drohen sollten, einerseits durch Aufstände der Griechen (besonders in Didymoteichon und Adrianopel), welche die Erb- feinde, die Bulgaren gegen die fränkischen Eroberer herbei- riefen, andererseits durch die neuen Reiche, die unter Theo- dorus Laskaris in Kleinasien, unter Michael Angelos Komne- nos und seinem Bruder Theodorus Angelos in Epirus enstanden.

Von weiteren Ereignissen der Geschichte des lateinischen Kaiserreiches kommen ferner für uns in Betracht: der Tod Balduins in bulgarischer Gefangenschaft, und die darauf folgende Krönung seines Bruders Heinrich von Hennegau zum Kaiser von Konstantinopel am 20. August 1206, sowie der Tod des Bonifaz von Monferrat im Sommer 1207, ein Ereig- nis, das Ende 1208 einen gegen Heinrich gerichteten Aufstand der lombardischen Großen von Thessalonich zur Folge hatte, der erst 1210 endgültig beendet war.

Wir werden ferner des Ablebens Heinrichs im Jahre 1216 gedenken müssen, sowie seines Nachfolgers Peter von Courte- nay, der bereits auf der Reise nach Konstantinopel durch die Hinterlist des Theodorus Angelos, Tyrannen von Epiros, einen

12. Villehardouin, ed. Wailly, Paris 1872, §§ 275, 287, 297, 300, 302. Robert de Clari, ed. Hopf, Ghronique3 gr£co-romanes, Bln. 1873, S. 77 gibt eine naive Schilderung, wie Bonif. sich vor Adrianopel Marias und ihrer Kinder als Vermittlung bei den Griechen bediente. Hopf, Griechenland S. 206, S. 210. Usseglio (lib. cit.) S. 220 f.

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frühen Tod fand. Die Angriffe dieses Tyrannen bedrohten nun das Reich, während bis Ende 1219 Peters Gattin Iolanta, der Conon von Bethune als Reichsverweser treulich zur Seite stand, die Zügel der Regierung lenkte, und erreichten unter dem folgenden Kaiser Robert, Bruder des Herzogs von Namur, ihren Höhepunkt in der Vertreibung des jugendlichen Demetrius, Sohn des Bonifaz von Monferrat und der Maria von Ungarn, aus seiner Königsherrschaft zu Saloniki, wodurch Thessalonich dem lateinischen Kaiserreich verloren ging.

Zu all diesen Ereignissen stehen Lieder Cairels in Be- ziehung.

An erster Stelle sei No. 3 genannt. Hier entschuldigt sich der Dichter v. 49 ff., daß er Herr n C o i n o13 noch nicht aufgesucht habe und spricht die Absicht aus, daß er es innerhalb der nächsten 2 Monate tun werde. Lieber die Namensform Coino hat Schultz-Gora a. a. O., De Bartholo- maeis, Rom. 34, 53 Anm. 1 und noch einmal Schultz-Gora, Ztschr. 30, 590 gehandelt. Coino ist offenbar Obl. von prov. Coine (Coene), das dem afr. Cuene, Obl. Conon entspricht. Schultz-Gora und De Barth, tragen keine Bedenken, in dem hier erwähnten „Herrn Coino" den berühmten Trouvere Conon de Bethune zu sehen und dürften mit dieser Vermutung das Richtige treffen. Welchen Schluß können wir nun aus der Erwähnung Conons für die Abfassungszeit des Liedes ziehen? Conon befand sich als Teilnehmer am 4. Kreuzzuge in hervorragender Stellung seit 120314 in der Romania und starb daselbst 1219 oder 1220 (Wallensköld S. 21). Der Zeit-

13. Wir müssen mit N Coino für das verstümmelte Corno (A), Como (H) lesen. Vgl. Schultz-Gora, Ztschr. 10, 593 ff.; Prov. Dichte- rinnen S. 11 und Lit. Bl. 1902 Sp. 304 Anm. De Bartholomaeis, AdM. 16, 493.

14 Vgl. die Biographie Conon de Bethunes in der Ausgabe seiner Gedichte von Wallensköld, Helsingfors 1891.

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räum für die Abfassung des Gedichtes15 schmilzt aber be- deutend Zusammen, wenn sich, wie wir bald sehen werden, Cairels Anwesenheit im Osten schon vor 1206 und vielleicht im Sommer 1204 in der Umgebung des Ronifaz von Mon- ferrat nachweisen läßt. Hs steht dies im Zusammenhang, auch das möchte ich hier vorwegnehmen, mit der Erwähnung einer domii Isabel (v. 60), der Elias, das steht fest, in der Romania gehuldigt hat. Die Erwähnung Isabellas. die ich weiter oben absichtlich überging, ist ja ebenfalls eine Gewähr für die Richtigkeit der Vermutung, daß wir in Coino Conon de Bcthune zu sehen haben.

Da wir nun Cairel Isabellas wegen schon in früher Zeit in der Nähe des Markgrafen von Monferrat vermuten dürfen und Conon und Bonifaz sich erst beim Zuge des letzteren nach Didymoteichon (s. o.) trennten, und sowohl während der Verhandlungen des Bonifaz mit Balduin16 als auch im Sep- tember 1204 wieder in Konstantinopel zusammentrafen, so bleiben wegen der vom Trobador angegebenen Frist von 2 Monaten, innerhalb welcher er Conon zu sehen hofft, nur folgende Möglichkeiten für die Abfassungszeit: Elias stieß zu Bonifaz in seinem Lager im Sommer 1204 und verfaßte das Lied dort, oder es entstand wie Appel17 vermutet, kurz vor der Ausfahrt nach dem Orient und schließlich bleibt zu erwägen, ob Cairel etwa Bonifaz erst aufsuchte, als dieser bereits seine Herrschaft in Thessalonich inne hatte. Auch dann hätte der Trobador ja Grund gehabt, sich zu entschuldigen, daß er den

15. De Barth. AdM. 16, 493 nimmt als solchen die Jahre von 1204-1220 oder 1224 (letzteres Jahr galt früher als Todesjahr Conons) an.

16. Villehardouin (ed. Wailly) §283 ff., §286. Sonst nennt er hier Conons Namen nicht, sondern sagt nur: „Et les autres."

17. B. v. Ventadorm S. 325. Anm. z. v. 6: „Das Lied wird im Orient entstanden sein (oder vor der Ausfahrt nach dem Orient?)."

15

am Hofe Kaiser Heinrichs weilenden Conon noch nicht ge- sehen hätte.

Mit Sicherheit läßt sich also No. 3 nicht datieren. Es wird nicht vor 1202, dem Beginn des Kreuzzuges überhaupt,ent- standen sein, und als terminus ad quem möchte ich 1207, das Todesjahr des Bonifaz ansehen, wegen des darauf folgenden Krieges zwischen Kaiser Heinrich und den Anhängern des Bonifaz, da Cairel, wir werden noch davon zu sprechen haben, der Lombardenpartei angehörte, Conon dagegen auf Seiten des Kaisers stand. Natürlich bleibt auch dies eine Vermutung18.

Als Vermittlerin bei Conon ruft Cairel, wie erwähnt, eine Dame Isabella an: „Und wenn mein Lied ihm gefällt, so ge- bührt meiner Herrin Isabella der Dank" (v. 59 60). Der Sinn dieser Verse läßt sich verschieden auslegen: Soll etwa Isabella beim Vortrag des Liedes ein gutes Wort für Cairel einlegen und ihm eine Einladung Conons verschaffen? Oder gebührt ihr Dank, weil die Liebe zu ihr den Dichter inspirierte?

Wir haben nun ferner eine Tenzone einer Domri lsabel mit N'Elias Cairel. Es liegt nahe zu vermuten, daß diese Isabella dieselbe ist, welche Elias hier nennt.18 Eine genaue Datierung dieser Tenzone No. 7 war bis jetzt nicht möglich, doch hoffe ich, die Abfassungszeit annähernd bestimmen zu können. Als Anhaltspunkt dient der Name des v. 40 von Isabella erwähnten Patriarchen: E no us auzei anc

18. Nach dem Bürgerkriege verließ Elias wahrscheinlich bald die Romania. Beachtenswert sind ferner die freilich, wie es scheint, formelhaft gewordenen Eingangsverse, in denen er sagt, er habe 2 Jahre nicht gesungen. Aus den Jahren 1204 6 und 1207—8 besitzen wir mehrere Lieder.

„Gens de sai" v. 53, das sei noch erwähnt, bezieht sich natürlich auf die Umgebung des Dichters, vielleicht auf seine Kunstgenossen im engeren Sinne.

19. Vgl. auch Attribution von No. 7.

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mais dir mon semblan, ! mos pregar riai lo Patriarch' . . . ."

Die beiden einzigen Hschr. (O a1) überliefern den Namen in der Form uian. Hierfür liest Schultz-Gora50 und mit ihm Bertoni21 und Lavaud" Ivan. Ein Patriarch dieses Namens ist aber, wie schon Schultz-Gora bemerkt, weder bei Le Quien23 noch bei Garns24 aufzufinden. Ich lese statt Ivan luan oder vielmehr loan [die Schreibung des Namens mit */ ist natürlich auffällig, vgl. Anm. zu No. 7 v. 40 1.

Einen Patriarchen loan führt Le Quien (op. cit. Bd. I p. 276 und ib. Index V, cXI) auf, und zwar ist es Joannes X. Camateros, seit 1199 Patriarch von Konstanti- noper5, der bei der Eroberung der Stadt (12. IV. 1204) die Flucht ergriff. Nach Nicephorus Callistus20 begab er sich

20. Provenz. Dichterinnen S. 11 f.

21. I Trovatori d'Italia S. 472.

22. Lou Bournat S. 519 ff.

23. Oriens Christianus. 3 Bde. 1740.

24. Series Episcoporum Ecclesiae Catholicae. Ratisbonae. 1873. S. 440.

25. Nicetas bei Migne, Patrol. Bd. 139, S. 894. Der Patriarch ist nicht zu verwechseln mit Johannes Camateros, dem späteren Erz- bischof von Bulgarien, s. M. E. Miller, Notices et Extraits des Manu- scrits de la Bibl. Nat. et autres bibliotheques Bd. 23 (Paris 1872) S. 46 f.

Miller gibt (ib.) S. 45 nach Nicetas eine kurze Uebersicht über Lebenslauf und geistliche Tätigkeit des Patriarchen, dann folgt die Be- schreibung der Flucht, die Nicetas, Migne, Patrol. 139, 977 sehr an- schaulich schildert. Vgl. ferner über Johannes X. M. J. Gedeon, 7iazQtaQxiY.oi 7iivax£g, Konstantinopel, 1 884, S. 377 ff. und C. D. Cobham, The Patriarchs of Constantinople, Cambridge, Univ. Press., 1911 S. 12. Krumbacher (op. cit.) S. 1149. Ueber die Rolle des Patriarchen bei der Belagerung ist bereits S. 10 gehandelt worden.

26. Migne, Patrol. 147, 464: „Vixit autem Hadrianopoli post captam urbem annis duobus, mensisque 2, diebus 14, et obsidentibus,

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nach Adrianopel, doch halte ich das für eine irrtümliche An- gabe, da der Augenzeuge Nicetas Choniates27 und auch Ge- orgius Acropolita28 einstimmig berichten, er habe sich später in Didymoteichon aufgehalten.29

In Didymoteichon aber treffen wir, wie bereits erwähnt, im Sommer 1204 Bonifaz von Monierrat und seine Gattin Maria (Margarete). Diese trat nach Angabe von Gerland (lib. cit. S. 162) im Jahre 1205, nach Hopf (Griechenland S.210) erst 1207 in Thessalonich wieder zur römisch-katholischen

Latinis ex aquae penuria obiit, cum antea, posiulantibus iis quae Ni- caeae erant, et Theodoro Lascari, abdicasset." N. C. ist ungenau und falsch unterrichtet: 1206 wurde Adrianopel garnicht von den Lateinern belagert, sondern der Bulgarenkönig belagerte Adrianopel und Didy- moteichon. Das zum Entsatz herbei eilende Heer der Lateiner wurde mit Jubel begrüßt.

27. Rec. d. hist. d. Crois. Hist. grec. Bd. I (1875) S. 488, Migne, Patrol. 139, 1024. Nicetas berichtet, daß der Bulgarenkönig Joannisa die Belagerung von Didymoteichon aufgegeben habe, und fährt fort: „tot« 6f (j,akaxq $avaT(p rbv^ßtov TtQotjxaTO xcti o itaTQiaqyjyg 'Iwavvrjg 6 KaftatrjQog, xaraAeAiwa g 7tkavfjg xcci ajtotxog sg io Jidvfi6rot,xov.a

28. Migne, Patrol. 140, 993 ff. Es ist von der Proclamation des Theodorus Lascaris zum Kaiser von Nicaea die Rede und G. A. be- richtet: „TJ(xtouxq%ov de firj ixaqovTog exelos, o yag Kd/uar- tjQog 'Icoawrjg og %bv 7ta%Qi,aQ%ixov sxoOftfi d-qovov rjvlxa Tr{g Kiövaxavxivov ixQaTrjoav 'Izalol, tceqi tu JcövfiOTOixov <x7tr]Q€ xdxuae rag öiatgißag €7i€TtolrjTOfil etc.

29. A. Gardner (lib. cit.) gibt S. 67 gleichfalls Didymoteichon an. Als Quelle nennt sie Demetrius Chomatenus. Hertzberg (1. c.) S. 385 nennt Selymbria, das nach Nicetas, Migne, Patrol. 139, 977 die erste Etappe auf der Flucht war.

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Kirche über, der sie als Tochter des Königs von Ungarn ursprünglich angehört hatte. Sollten wir darum fehlgehen, wenn wir annehmen, daß Patriarch loan, der vornehmste griechische Kirchenfürst in Beziehung zu der ehemaligen Kaiserinwitwe von Byzanz und zu ihrem Gatten, dem damals griechenfreundlichen Bonifaz gestanden habe? Ich denke nicht.

Isabella, die Partnerin Cairels in der erwähnten Tenzone müßte alsdann dem Kreise des Bonifaz von Monferrat ange- hört und auf diese Weise irgendwie Veranlassung gehabt haben, auf Joannes anzuspielen.30 Da der Patriarch am 22.

30. Leider ist diese Stelle dunkel (vgl. No. 7 zu Str. V), wie überhaupt v. 37 ff., die für den Biographen interessantes Material bieten könnten. Wir wollen aber wenigstens eine Deutung versuchen. Isabella gibt Elias den Rat, ins Kloster zurückzukehren, er dagegen erklärt (v. 41 42), er sei nie im Kloster gewesen, und zwar handelt es sich, wie aus v. 43 44 hervorgeht, um den tatsächlichen Eintritt ins Kloster. Dem- nach hat Cairel seinen eigenen Angaben müssen wir doch wohl Glauben schenken nicht, wie so manche seiner Berufsgenossen, ur- sprünglich dem geistlichen Stande angehört. Was bedeutet nun aber v. 38: „Ihr möget zum Aufenthalt in der Abtei zurückkehren"? Zweifel- los spielt doch auch Isabella auT eine Tatsache an! Ich erkläre mir diesen scheinbaren Widerspruch folgendermaßen: War Cairel auch nicht Mönch, so wird man vielleicht vermuten können, daß er sich ein- mal in einer Abtei aufgehalten hat. Die prov. Lebensnachrichten be- sagen, daß er Goldarbeiter und Wappenzeichner war, und als Trobador muß er über eine gewisse Bildung verfügt haben. Wo anders wird er vielleicht diese Bildung (und vielleicht auch sein Kunsthandwerk) er- worben haben, als in der Benediktiner-Abtei seiner Vaterstadt Sarlat? Die Stadt besitzt eine Benediktiner-Abtei aus dem 8. Jhdt. und entstand im 12. Jhdt. aus einer Siedlung in der Nähe des Klosters (Larousse). Die Benediktinerabteien waren die bedeutsamsten Bildungsstätten jener Zeit und beherbergten auch Schüler, die nicht in den Orden eintreten

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oder 23. Juni 1206 starb, nachdem er zuvor im Februar des- selben Jahres sein Amt niedergelegt hatte,31 so begrenzt sich die Abfassungzeit der Tenzone mindestens auf die jähre 1204 1206 und dürfte eventuell mit dem Aufenthalt des Bonifaz in Didymoteichon zusammenfallen, was ich für sehr möglich halte, da die Zeit von Februar 1205 bis Anfang 1206 (d. h. bis zum Tode loans) auch kaum in Betracht kommen kann. Damals brachen, wie bereits flüchtig erwähnt, Auf- stände der Griechen in Thrakien, besonders in Didymoteichon und Adrianopel aus, und die Griechen öffneten den Bulgaren ihre Tore (Gerland S. 41 ff.). Erst Anfang 1206 wandten sie sich wieder dem Kaiser zu, und wurden nun von den Bulgaren bedroht; es folgte die Belagerung von Didymoteichon, während welcher Joannes X. starb. Daß Isabella und Cairel sich zur Zeit jener Wirren in der Nähe loans befanden (Isabel'la sagt: „pregar riai") und eine Tenzone wechselten, scheint mir so gut wie ausgeschlossen.32

Wer ist nun jene l s a b e 1 1 a? Ueber ihre Persönlichkeit

wollten, s. L. Maitre, Les Ecoles episcopales et monastiques de TOc- cident (768—1180), Paris 1886 S. 173 (et passim); S. 198; Beaux arts S. 249. Wechssler, Kulturproblem S. 99 ff.

31. Georgius Acropolita, Migne (loc. cit), sowie die übrigen Lit. Angaben S. 16, Anm. 25.

32. Einen anderen Patriarchen Joannes gibt es m. W. in jener Zeit nicht. Der erste röm. kath. Patriarch von Kpel war Thomas Moro- sini (1205—1211), ihm folgte Gervasius (1215—1219), Garns (op.cit.) S. 440. Etwa an den Patriarchen .von Grado zu denken, unter dessen Oberhoheit eine Reihe von Klöstern und Kirchen des Ostreichs standen (vgl. Tafel und Thomas, Fontes rerum austriacarum. IL Abt. Diploma- taria et acta Bd. 12 (1856) S. 227 und 546, Bd. 13 (1857) S. 59, 69, 152. - D. Rattinger, Der Patriarchat- und Metropolitsprengel von Kpel .... z. Zt. der Lateinerherrschaft in Byzanz. Hist. Jahrbuch Bd. II (1881) S. 14 ff.), ist nicht angängig. Der Patriarch v. Grado Joannes Signole

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ist mehrfach gehandelt worden. iNostradamus' Angabe (ed. Chabaneau, p. p. Anglade S. 155), daß sie die Gattin des Markgrafen von Monf errat gewesen sei, beruht natürlich auf Erfindung. Er mag es daraus gefolgert haben, daß Isabella und der Markgraf beide in den Geleiten von No. 6 genannt werden.33 Nostradamus seinerseits ist vielleicht die Quelle für die Behauptung der Hist. Litt. XIX 495—6, daß Cairel Isabella während seines Aufenthaltes in Monferrat (?) ge- liebt habe. Balaguer,34 Bartoli35 und Restori36 sehen in ihr eine Dame des verwandten Hauses der Malasp ina, wofür auch kein stichhaltiger Grund vorhanden ist. Vielmehr beruht diese Annahme auf einer Verwechslung, deren Anlaß das Geleit von No. 2 ist, das den Markgrafen von Massa nennt (s. S. 32), während die Canzone sonst eine „Herrin in Griechenland" feiert. Ob unter dieser ohne weiteres Isabella zu verstehen ist, davon wird später noch die Rede sein. Falsch ist auf jeden Fall die Identifizierung des Markgrafen Wilhelm von Massa mit seinem Schwager Wilhelm von Malaspina, der von Diez37 und Schopf38 als Markgraf von Malaspina und Massa (und umgekehrt) aufgeführt wird. Gerade dies wird wohl dazu geführt haben, Isabella im Hause der Malaspina zu

starb schon 1201. Seine Nachiolger waren Benedikt Falier (1201—1207), Angtlus Barozzi (1207—1238, s. Garns (op. cit.) S. 791.

33. Dieselbe Vermutung in Bezug auf Nostrad.'s Quelle spricht Schultz-Gora, Ztschr. frz. Spr. Lil. Bd. 43 (1915) S. 143 aus.

34. Hist. polit. y lit. III 135. Er stellt es allerdings als zweifelhaft dar. Sie könnte auch Provenzalin sein.

35. I primi due secoli della letteratura italiana. Milano 1880 S. 75.

36. Letteratura Provenzale, Mil. 1891. S. 107, Anm.

37. Leben und Werke S. 349.

38. Schopf, Beiträge zur Biographie und zur Chronologie der Lieder des Troubadours Peire Vidal. Diss. Breslau 1887, S. 20,

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suchen. Dort kann ich übrigens in jener Zeit keine Dame dieses Namens finden.39

Schultz-Gora40 vermutet in ihr die Tochter des Gui Marchesopulo aus dem Hause der PaMavicini (Linie Ober- tenga) von Parma,41 welcher, ein treuer Anhänger des Bonifaz, von diesem mit der Herrschaft Bodonitza in Thessalien be- lohnt wurde. Eine seiner Töchter hieß allerdings Isabella und war in Griechenland oder der Romania verheiratet. De Bartholomaeis42 möchte sie deshalb mit der Gattin des Ravano dalle Carceri, Herrn von Negroponto- (Euböa), identifizieren. Er teilt die Bedenken nicht, die gegen Isabella Pallavicini als solche von Torraca43 aus chronologischen Gründen erhoben werden. Torraca pflichten Bertoni44 und Bergert45 bei und mit Recht. Da nämlich Isabellas ältere Schwester erst 1238 Azzo VII. von Este heiratete, so „müßte Isabella doch schon 30 Jahre vorher in einem solchen Alter gestanden haben, daß sie vom Dichter gefeiert werden konnte" (Bergert). Die Datierung der Tenzone fügt nun den 30 Jahren noch einige hinzu und Isabella müßte in der Tat ein erstaunlich hohes Alter erreicht haben, wenn Hopf49 ihren Tod mit Recht gegen 1286, ev. sogar noch später, annimmt. Ich lehne daher die Annahme, daß es sich um Isabella Pallavicini handelt, ent-

39. Litta, Famiglie celebri, Fase. 75. Malaspina I. Tafel III.

40. Provenz. Dichterinnen S. 11 12.

41. Usseglio (op. cit.) S. 151. Litta, Farn. cel. Pallavicino. Tafel XIV.

42. AdM, 16, 488 Anm. 6.

43. Le donne italiane nella poesia provenzale. Firenze 1901. S. 20 f.

44. Giorn. Stör. d. Lett. Ital. Bd. 38 (1901), S. 148. I Trovat. d'Ital. S. 130.

45. Die von den Trobadors genannten oder gefeierten Damen. Ztschr. Beiheft 46 (1913) S. 75.

46. Chroniques, Tafeln S. 478.

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schieden ab, obgleich Schultz-Gora neuerdings noch einmal für seine diesbezügliche Meinung eintritt.47

Damit fällt auch die Hypothese von De Barth., daß Isabella Pallavicini als Ravano dalle Carceris Gattin von Cairel besungen worden sei, fort. Gegen diese Hypothese läßt sich ferner einwenden, daß Ravano erst 1212 eine Ehe mit einer vornehmen Dame namens Isabella einging, mit der er vor dem Tode ihres Gatten in Ehebruch gelebt hatte.48 Wer diese Isabella war, wissen wir nicht, sollte aber gerade sie von Cairel besungen worden sein? Er müßte sie dann vor ihrer Ehe mit Ravano gekannt und gefeiert haben, denn die Gedichte, in denen sie mit Namen genannt wird, gehören alle einer früheren Epoche an.40 Wir bleiben daher über die Per- lichkeit jener Isabella im Dunkeln; nur so viel steht wohl fest, da sie den Patriarchen loan nennt, daß wir sie im Osten zu suchen haben, wenngleich Bertoni auch dies bezweifeln und möglicherweise in ihr eine Provenzalin sehen will.50

Außer in No. 3 und No. 7 huldigt Elias Isabella in der 6. Strophe von No. 951 und im 2. Geleit von No. 6.

47. Ztschr. frz. Spr. Lit. 43 (1915) S. 143.

48. Vgl. den Brief Papst Innocenz' III. an den Erzbischof von Athen 1212, zitiert Buchon, Recherehes et materiaux pour servir ä une histoire de la domination francaise. 1840. S. 369. Hier wird der Name der Dame nicht genannt, wir erfahren ihn aber aus späteren Urkunden. Tafel und Thomas (op. cit.) Bd. 13, S. 176 und 180. Buchon, Recher- ches . . . Tafel VIII bezeichnet sie als „Isabella, veuve d'un Francais de Moree."

49. Aus dem gleichen Grunde kann auch Otto de la Roche's, des Herzogs von Athen Gattin, Isabella, Erbtochter des Guy de Ray, die er 1208 heimführte, kaum in Betracht kommen. Hopf, Chroniques, Tafeln, S. 473.

50. I Trova'ori d'Italia S. 130.

51. Zur Echtheit der Strophe s. Anm. zu No. 9 v. 41 ff.

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No. 9 ist an den Markgrafen Wilhelm von Mon- ier rat gerichtet, und da das 1. Geleit von No. 6 offenbar den gleichen Zweck verfolgt wie No. 9, so kann man an- nehmen, daß es sich gleichfalls auf Wilhelm bezieht, obgleich hier nur ein „marques de cui es Monferratz" genannt wird.

Die Angelegenheit, um die es sich in beiden Liedern handelt, ist folgende: Ende des Sommers 1207 hatte der Tod Bonifaz hinweggerafft. Er hinterließ seine Stammlande Wilhelm, seinem Sohne aus der Ehe mit Eleonore von Savoyen (?)62, das Königreich Thessalonich hingegen sollte der junge Demetrius erben, der seiner Ehe mit Maria (s. o.) entsprossen war, und der damals höchstens 2 Jahre zählte, so daß der Graf von Biandrate, Bailli von Saloniki, die Regent- schaft führen sollte. Diese Bestimmungen erregten den Un- willen der lombardischen Großen, die sich der Herrschaft eines Kindes, noch dazu des Sohnes einer Griechin (denn als solche galt ihnen Maria) nicht beugen wollten. Hierzu kam, daß unterdessen auch Kaiser Balduin in bulgarische Gefangen- schaft geraten und ermordet worden war, und man bereits am 20. August 1206 seinen Bruder Heinrich von Hennegau zum Kaiser gekrönt hatte. Die Lombarden nun, die es ohnehin schon mit Murren hingenommen hatten, daß Bonifaz nicht die Krone erhielt53, verweigerten jetzt Heinrich die Anerkennung. Noch kam es aber nicht zu offenem Ausbruch der Feindseligkeiten, da dem Reiche von außen durch die Bulgaren ernste Gefahr drohte. Der Aufstand loderte erst empor, als Heinrich im Dezember 1208 von Konstantinopel nach Saloniki zog, um sich huldigen zu lassen und um den jungen Demetrius zu krönen. Die Lombarden sandten Boten an den Markgrafen Wilhelm nach Monferrat

52. Der Name dieser Gattin ist unsicher. Usseglio (op. cit.) S. 115.

53. Villehardouin, der ja überhaupt tendenziös schreibt, verschweigt lies in seinem Bericht über die Kaiserwahl. § 256—261. Dagegen steht der Bericht des Robert von Clari, Hopf, Chroniques, S. 76—77.

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und boten ihm Reich und Krone an54 und zwar, wie De Barth. (1. c. S. 483) wohl mit Recht vermutet, die Krone in Unab- hängigkeit von Byzanz, zum mindesten aber diejenige eines sehr vergrößerten Reiches. De Barth, stützt sich hier auf die Worte Cairels No. 9 v. 33—36: „Lo reiesme de Salonic, I ses deiner e ses mangand, I pogratz aver, e maint castel, \ d'autres üu'ieu no mentau ni die", wie denn dies ganze Sirventes eine glühende Aufforderung an Wilhelm ist, doch endlich dem an ihn gerichteten Rufe zu folgen und das nicht im Stiche zu lassen, „was sein Vater eroberte" (v. 6). In scharfen Worten geißelt der Dichter hier die Saumseligkeit des Markgrafen und zeiht ihn der Feigheit (v. 9 16), die seiner tapferen Ahnen unwürdig sei und an das Gebühren eines Bastards erinnere (v. 40).55 Auch auf das Verhalten der thessalonischen Barone,

54. Gründe und Ziele des Aufstandes sind nach Henri de Valen- ciennes (ed. Wailly) §§ 562, 598, 603 nicht ganz klar. Hopf, Qriechen- land, S. 288 trifft wohl das Richtige, wenn er schreibt: „Daß zu völliger Losreißung solcher Ländermassen . . . ein Mann und kein Knabe erforderlich, sahen sie deutlich ein und richteten daher ... die Blicke auf den Stiefsohn (Margarelens), den Markgrafen W. v. M. Dieser sollte erst Reichsverweser für Demetrius sein, dann aber an der Spitze der Lombarden sich zum souveränen Herren des Königreiches machen.

55. Was aber den Lombarden (und dem Trobador) als Feigheit und Saumseligkeit erschien, war wohl weise Berechnung und vorsichtige Klugheit von Seiten Wilhelms, der ursprünglich bereits im Herbst 1207 zu rüsten begonnen hatte, s. Usseglio, S. 144. Hopf, S. 228. Daß Wilhelm tatsächlich durch seine italienischen Angelegenheiten zurück- gehalten wurde, das deutet u. a. die Bemerkung des Benvenuto di San Giorgio an, Muratori, Script. Rer. ital. Bd. 23 S. 376 gelegentlich der geplanten Verheiratung von Wilhelms Tochter Beatrice (1209): „. . . . l'altra [molestia] di avere sodata la controversia, che egli aveva col Conte Delhno."

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die obendrein unter einander uneins waren,** und Kaiser Heinrichs wird (v. 25 ff.) angespielt, einige der Herren werden (v. 37 38) mit Namen genannt, kurz, wir müssen annehmen, daß der Trobador, der so lebhaft für die Sache der Lombar- den eintritt, sich mitten unter ihnen befand und ihren mehr- mals an den Markgrafen gesandten Botschaften durch seinen poetischen Erguß mehr Nachdruck zu verleihen suchte.37

Mit Namen genannt werden R o 1 a n d i n (so müssen wir mit De Barth, lesen), G u i Marques und R a v a n.

In R o 1 a n d i n sieht De Barth. (S. 484 ff.) R o 1 a n d i n v o n C a n o s s a. Er und sein Bruder Aubertin werden in zwei von De Barth, angeführten Briefen Papst Innocenz' III. genannt, beide Brüder zusammen mit einem dritten, namens Gui (der aber für uns nicht in Betracht kommt) finden ferner in italienischen Chroniken Erwähnung. Sie waren Herren des thessalisch-en Theben und des Landes am pagasäischen Golfe.58 Auffällig ist allerdings, daß Henri de Valenciennes (ed. Wailly), die einzige Quelle für den Lombardenaufstand, Rolandin nicht, Aubertin dagegen häufig und in führender Stellung erwähnt. Ist dies Zufall oder hat Elias Cairel vielleicht Rolandin näher gestanden? Ein Grund, die An- nahme von De Barth, zu bezweifeln, weil Rolandin dort nicht genannt wird, liegt m. E. nicht vor, stützt er sich doch auf

57. Hopf, Griechenland, S. 132, 224, 228. Usseglio, S. 132. Ger- land S. 162 ff.

57. De Barth (1. c.) S. 482 u. 490. Bertoni, Rambertino Buvalelh S. 10: „II Cairel, che potrebbe dirsi poeta lombardo per adozione, tante risuona ne' suoi versi l'eco dei sentimenti italiani rispetto alle guerre d'Oriente."

58. Villehardouin (ed. Wailly) § 160.

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die Untersuchungen von Buchon, eines Historikers, der sich sehr eingehend mit jener Epoche beschäftigt hat.58

G u i M a r q u e s ist G u i Marchesopulo, vgl. De

'■. S. 4 Hier ist seiner schon S. 21 gedacht worden.

R a v a n schließlich ist nach De Barth. S. 487 R a v a n o dalle Carceri oder da Vero n'a. Da er im Namen Venedigs die Erwerbung Kretas unterzeichnete, vermutet De Barth., er habe den Kreuzzug auf Seiten Venedigs und nicht des Bonifaz mitgemacht. Er wurde Dreiherr (Tertiarius) von Negroponto (d. h. er hatte eins der drei Lehen inne, in die geteilt die Insel Euböa an die dalle Carceri vergeben war60), machte sich 1209 zum unabhängigen Gebieter der Insel und stellte sich schließlich im Februar 1211 durch Vertrag unter die Oberhoheit Venedigs, um wirksamen Schutz vor Kaiser Heinrich zu haben, besonders nachdem er. Anfang 1210 die Unruhen in Thessalonich endgültig unterdrückt waren.61 Er starb 1216.fla

Die Untersuchung des historischen Hintergrundes er- möglicht es also, das vorliegende Sirventes ziemlich genau zu datieren: es muß im Herbst oder Winter 1208 (vgl. die Ein- gangsverse) entstanden sein/

ft*

59. Histoire des Conquetes et de l'Etablissement des. Francais dans ies Etats de l'ancienne Grece sous les Villehardouin Bd. I. (1846). Hier ist im Anhang S. 447 ff. das Sirventes abgedruckt (offenbar nach Rayn. Choix, 4, 239, nur sind die Namen berichtigt), und die genannten Per- sönlichkeiten sind wie bei De Barth, identifiziert. Vgl. auch Gerland, 5. 163. Anm. 7.

60. Hopf, Chroniques, E9tratti degli Annali Veneti di Stefano Magno S. 179. Die von De Barth, zitierte Stelle „Dynastiae Graecis" ib. S. 177 ist nicht ganz zutreffend.

61. Hopf, Griechenland, S. 231.

62. Hopf, Chroniques, Tabellen S. 479.

63. Diez, Leben und Werke S. 451 hatte es 1224 datiert auf Grund

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Da das 1. Geleit von No. 6 gleichfalls an den Markgrafen von Monferrrat die Aufforderung zum Handeln enthält, und die Widmung an Isabella vermuten läßt, daß Cairel sich damals im Osten befand, so wird man daraus schließen können, daß diese Canzone etwa um dieselbe Zeit, aber im Frühling, ver- faßt ist, und daß das Geleit denselben Zweck verfolgt wie das

der Lesart Mongibel (v. 3) für Mombel. Im April 1222 unternahm nämlich Wilhelm von Monferrai eine Reise nach Sizilien, um von Kaiser Friedrich II. 9000 M zu leihen, da er einen Feldzug zur Unterstützung seines Stiefbruders unternehmen wollte, der 1224 von dem Tyrannen von Epirus seines Reiches beraubt worden war. Unser Sirventes wäre danach nur eine Anfeuerung, da im Herbst 1224 die Vorbereitungen Wilhelms schon vollauf im Gange waren. Für die Wahrscheinlichkeit, daß hier ein Irrtum in der Datierung vorläge, hat sich schon vor De Barth. O. Paris (Rom. XVIII 558-9 Anm.) ausgesprochen. Hopf, Griechenland datiert gleichfalls 1208 unter Berufung auf Buchon, Histoire des Conquetes . . ., S. 447 ff. Auch Gerland datiert S. 161 Anm. 1. „i. J. 1208." Daß ferner der genannte Kaiser Heinrich nicht Kaiser Heinrich VI sein kann wie Toeche (Heinrich VI. Jahrbücher d. deutschen Gesch. Lpzg. 1867. S. 466 7) und Nickel (Sirventes und Spruchdichtung S. 30) angeben, darauf macht einerseits De Barth. (1. c. S. 479 Anm.), andererseits Schultz-Gora (Lit. Bl. 1908, Sp. 223—4, sowie Briefe Ramberts S. 114, Anm. 1) aufmerksam. Vgl. auch Wittenberg, Die Hohenstaufen im Munde der Troubadours. Diss. Münster 1908, S. 45 Anm. 2. Bertoni, I Trov. d'Ital. S. 11, setzt die Abfassungszeit bereits Ende 1207 oder Anfang 1208. Das dürfte wohl auf einem Irrtum beruhen, denn zwischen Heinrichs Regierungsantritt und seinem Zuge nach Saloniki liegen die Kämpfe gegen die Bulgaren(bis Ende Juli 1208) und der noch im Spätherbst 1208 unternommene Vor- stoß gegen Nicaea. (Hertzberg S. 387). C. Desimoni, Giornale Ligustieo. . . Bd. V (1878), S. 269, bezieht das Sirventes irrtümlicher- weise auf Bonifaz II. von Monferrat.

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Sirventes. Jene Widmung an Isabella ist es, die mich ver- muten läßt, No. 6 gehöre derselben Periode an wie No. 9; das Geleit an den Markgrafen an und für sich läßt keinen dies- bezüglichen Schluß zu, und man könnte deshalb bei der Datierung sonst dieselben Bedenken hegen, wie bei No. 1, No. 11 und No. 13. (s. u.).

Schwieriger ist es nämlich betreffs No. 1 eine Ent- scheidung zu treffen. Da Elias auch später wiederum Ver- anlassung hatte, den Markgrafen zu tatkräftigem Eingreifen in Thessalonich zu ermahnen (vgl. die Geleite des Kreuz- liedes No. 11, sowie das Geleit von No. 13), so könnte man das fragliche Geleit auch auf jene Verhältnisse be- ziehen, eine Möglichkeit, die man nicht außer acht lassen darf. Das Argument De Barth.'s (S. 490) für eine wahrscheinliche Datierung vor 1208 scheint mir nicht völlig stichhaltig: De Barth, meint, die Ausdrucksweise Cairels v. 53 bis 54: „que s trag enan anz que / jocs sia jogatz I e fass' oimais de son pezonet fersa" sei eine erste, leise und geheimnisvolle Anspielung darauf, daß Wilhelm nunmehr auf- hören möge, die Rolle des Bauern zu spielen etc. Das ist möglich, aber nicht sicher. Die Sprache Cairels ist reich an Bildern (s. Stilistik), eine schwerverständliche Ausdrucks- weise hält er für wahre Kunst (No. 4) und schließlich das Geleit einer Canzone muß eine andere Sprache führen als ein Sirventes. Ist ferner wirklich Wilhelm unter der Bezeichnung „pezonet" zu verstehen? Ebenso gut könnte wohl der junge Demetrius damit gemeint sein, der 1222 aus seinem Reiche vertrieben, hilfesuchend in Italien erschien falls man nicht mit Bertoni94 die ganze Stelle in übertragenem Sinne auf- fassen will: ,,. . . a far valere il poco che ha". Der letzteren Auffassung möchte ich zustimmen.

64. 1 Trov. d'Ital. S. 11.

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Ich wage es also nicht, die Abfassung von No. 1 mit völliger Sicherheit in die Jahre von 1207 1208 zu versetzen.

Ueber die Beziehungen Cairels zum König von Leon,65 an den sich das erste Geleit dieses Liedes wendet und die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten, soll an späterer Stelle gehandelt werden.

Die Anwesenheit Cairels in der Romania während des Bürgerzwistes steht nun zwar für uns fest, aber wie lange sein Aufenthalt im Osten überhaupt dauerte, ist ungewiß. Die Vi da besagt nur: „En Romania estet lonc temps", was doch ein sehr relativer Begriff ist und nicht gerade wörtlich ge- nommen zu werden braucht. Diesen Ausspruch als Beweis für die Teilnahme Cairels schon am 4. Kreuzzuge69 im Gefolge des Bonifaz von Monferrat heranzuziehen (De Barth. S. 490), halte ich für nicht angängig. Es wäre immerhin möglich, daß Elias erst dem Aufrufe Innocenz' III. folgte, den dieser noch im Jahre 1204 an die Christenheit ergehen ließ, und der eine Aufforderung enthielt, sich in dem Kaiserreiche niederzu- lassen. Dadurch sollte die Herrschaft Kaiser Balduins ge- festigt werden. Viel Erfolg hatte der Aufruf nicht, diejenigen aber, die ihm Folge leisteten, zogen größtenteils in das Reich und an den Hof des Markgrafen von Monferrat.67

Für die Vermutung De Barth. 's aber, daß Cairel am

65. E9 handelt sich um König Alfons IX. 1188—1230. Schirrmacher, Gesch. v. Spanien Bd. 4 (1881) S. 237 ff. Mila y Fontanals, De los trovadores en Espana. Barcelona 18611, S. 153 ff. [Lavaud, Lou Bournat S. 391 und S. 459 Anm.: König von Aragon (!) 1138-1234(1)].

66. Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit die von De Barth. S. 490 Anm. 4 abgelehnte Hypothese Schultz-Goras, Briefe, S. 19 f., daß es vielleicht Cairel war, der Briefe Rambauts de Vaqueiras (II und III, sowie Grdr. 392, 24) nach dem Westen gebracht hätte. Eine Ent- scheidung läßt sich nicht treffen.

67. Hopf, Griechenland, S. 208.

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Kreuzzuge teilnahm, spricht die Datierung von No. 7, das vielleicht schon irn Sommer 1204 (s. o.) entstand.

Sind wir im Unklaren darüber, wann der Trobador in die Romania kam, so sind wir ebenso ungewiß darüber, wann er sie verließ. Da wir ein Lied von ihm besitzen, daß er nach seiner Rückkehr vorn Abendlands aus an seine Herrin nach Griechenland sendet (No. 2) und sich hier im Geleit an einen Markgrafen von M a s s a wendet, so hat er vielleicht den Orient vor 1211 (oder 1215?) verlassen, denn W i 1 h el m von Massa, um den es sich zu handeln scheint (s. u.), starb zu dieser Zeit.68

Elias Cair eis Beziehungen zu Spanien.

Fraglich ist es auch, wohin Elias nach dem Abschied von der Romania seine Schritte lenkte. Lied No. 12 v. 45 ff. erklärt er, daß er seine Herrin jenseits des Meeres ein Jahr lang nicht gesehen habe. Er kann sich in diesem Falle natürlich im Abendlande oder im Orient befinden. Hielt er sich zur Zeit der Abfassung in der Romania auf, so handelt es sich eben um eine Dame im Abendlande. Dichtete er das Lied dort, so tat er es entweder, nachdem die Herrin ihn verlassen hatte und nach dem Osten gegangen war, oder er tat es ein Jahr nach seiner Rückkehr aus dem Orient. Gewißheit haben wir

68. C. Desimoni, Sui Marchesi di Massa. . . Arch. Stör. Ital. Bd. X. (1882) S. 338. Die ältere Arbeit von G. Manno, Storia di Sardegna, Milano 1835*, S. 334—350, und mit ihm P. Tola, Dizionario Biografico degli Uomini Illustri di Sardegna Bd. II (Torino 1838) S. 151 und Schultz-Gora, Prov. Dichterinnen S. 11, nehmen seinen Tod erst 1215, E. Gerini, Memorie Storiche della Lunigiana, Bd. II (1829) S. 292 um 1212 an. Man wird wohl der neueren Forschung den Vorzug geben dürfen.

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hierüber nicht; es ist weder vom Abendlande noch von der Romania mit Sicherheit die Rede. Die bisher beliebte An- nahme,89 daß die Dame jenseits des Meeres mit der Herrin in Griechenland zu identifizieren sei, bleibt eine wenn auch glaubwürdige Hypothese, denn er könnte ja ebenso gut zwei verschiedene Damen besungen haben.

Das 2. Geleit dieses Liedes ist an den König von Leon gerichtet : „Lo bo rei de Leon prezanlam ses engan. . ." Wir erinnern uns, daß auch das 1. Geleit von No. 1 an Alfons IX. gerichtet war. Kann man vielleicht aus der Erwähnung des Königs einen Schluß auf die Abfassung beider Lieder ziehen? Halten wir zunächst fest, daß es drei Möglichkeiten für einen Aufenthalt Cairels in Spanien gibt: 1) vor der Fahrt nach der Romania, 2) unmittelbar nach derselben, 3) in späterer Zeit, d. h. nach 1220. Das Für und Wider muß erwogen werden.

No. 12, das die Herrin jenseits des Meeres und den König nennt, gibt keinen festen Anhaltspunkt für die Datierung.

No. 1 hat außer dem bereits erwähnten Geleite „AI rei de Leon prezan soi viratz" jenes Geleit an den Markgrafen von Monferrat. Daraus könnte man schließen, daß Elias sich von der Romania aus an den König wandte und dies entweder in dankbarer Rückerinnerung an den ehemaligen Gönner tat oder in der Absicht, von der Romania aus nach Spanien zu gehen. Der Wortlaut des Geleites (soi viratz) scheint eher auf das Letztere hinzudeuten. Voraussetzung aber wäre auf alle Fälle eine gleichzeitige Abfassung beider Tornadas, für die wir keine Gewähr haben.70

Wir erhalten also kein sicheres Resultat.

Daß sich Elias aber überhaupt in Spanien aufhielt, wird recht wahrscheinlich durch die Nennung eines Gönners mit

69. Schultz-Gora, Dichterinnen, S. 11. De Barth. S. 491.

70. Appel, Bernart v. Ventadorn S. XXX.

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offenbar spanischem Namen in Verbindung mit einer Herrin des Trobadors No. 14 v. 69: „E sap o'n Roiz Dies" (zur Lesart vgl. Anm. zu No. 14 v. 69). Wer dieser Roiz Dies war, vermag ich nicht festzustellen, doch darf man mit Recht in ihm einen spanischen Gönner der Trobadors vermuten. Erwähnt wird er auch von Aimar lo Negre, Appel, Prov. Ined. S. 1, v. 5 (Grdr. 3,3), der, ein Zeitgenosse Cairels, sich gleich- falls in Spanien aufgehalten hat. Bei Cairel nun steht der Name im Reim, so daß seine Form gesichert scheint. Eben aus diesem Grunde trage ich Bedenken, ihn mit Rodrigo Diaz de los Cameros zu identifizieren, wie dies Appel (1. c. S. 353) vorschlägt.

Jedenfalls aber bietet die Erwähnung des Roiz Dies bei Cairel eine neue Stütze für die Annahme, daß letzterer sich in Spanien aufgehalten habe.

Hiergegen erhebt De Barth, (s. 492 Anm. 1) Bedenken, wegen des bereits erwähnten Geleites (S. 30) von No. 2 an den Markgrafen von Massa: die Beziehungen zu dem italienischen Fürsten machen es ihm wahrscheinlicher, daß der Trobador aus der Rorrrctnia geradwegs nach Italien gegangen und dort geblieben sei. Zunächst fragt es sich , welcher Markgraf von Massa überhaupt gemeint sein kann. Ich habe bereits Seite 20 darauf hinge- wiesen, daß ich die Identifizierung Wilhelm von Massas mit Wilhelm von Malaspina für einen Irrtum halte. Zwar lag das Stammschloß und -Land der Massa in der Lunigiana, die größtenteils im Besitze der ihnen verwandten Malaspina war, doch dürften diese erst in späterer Zeit beide Titel geführt haben.71 Damals blühte noch die Linie der Markgrafen von Massa und Parodi, deren Machtbereich sich auf Corsica und Sardinien ausdehnte.72

Doch stößt auch innerhalb dieser Familien die Feststellung

71. Litta (op. cit) Malaspina. Tav. XX, III.

72. Dcsimoni, Aren. Stör. X, 324 iL (op. cit).

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des betreffenden Markgrafen auf erhebliche Schwierigkeiten, da einerseits die einzelnen Seitenzweige gelegentlich alle Titel der Hauptlinie zu führen pflegten, und andererseits die Sitte der Beschränkung der Vornamen auf einige wenige Namen ein für den Chronisten schier unentwirrbares Durcheinander geschaffen hat.73

Die beigefügte Stammtafel74 gibt einen Ueberblick über das Ergebnis der Untersuchung von Desimoni (op. cit.). Er stellt (S. 339) fest, daß wir es von Alberto Corso und Alberto Zueta ab mit zwei parallelen Linien zu tun haben, von denen die erstere vorwiegend den Titel Marchesi di Massa, die letztere hingegen meist denjenigen der Marchesi di Parodi führte75. Betrachten wir die Stammtafel weiterhin, so sehen wir, daß wir mit Schultz-Gora76 annehmen können, daß tat- sächlich Wilhelm von Massa, der Sohn des Alberto Corso der gesuchte Markgraf ist. Da nämlich Elias dem Markgrafen nur diesen einen Titel beilegt, so liegt wohl1 auf der Hand, daß dieser unter jenem Namen allgemein bekannt war, und wer hätte ihn zu jener Zeit mit größerem Rechte geführt, als Wilhelm, der Hauptvertreter der Linie der Massa, der macht- volle Richter von Cagliari? Zwar vermutet Desimoni (S. 337 und S. 347), daß ein Sohn Wilhelms, der den gleichen Namen trug, zeitweise Richter von Cagliari gewesen sei, doch ist die Sache etwas dunkel, und er gibt selbst zu, daß dieser schon

73. Desimoni, ib. (passim).

74. Sie findet sich übrigens ähnlich bei Brader, B. v. Monferrat, als Stammtafel der Markgrafen von Parodi.

75. Gerini (op. cit.) S. 281 ff. wirft, wie auch die anderen älteren Werke, beide Linien durcheinander.

76. Dichterinnen S. 11.

77. Tola (op. cit.), der eine ausführliche Biographie bringt, schreibt von ihm S. 151: „Fu insomma.quesio regolo uno de' piü. audaci e piü iortunati dinasti che la Sardegna abbia avuto in quel volger di tempi."

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vor dem Vater gestorben sein müsse, da letzterer bei seinem Tode Richter von Cagliari war und nur zwei Töchter hinter- ließ. Dieser Sohn kann also wohl kaum in Betracht kommen, und Wilhelm von M a s s a wird demnach der von Cairel gepriesene Markgraf sein. Diese Hypothese hat jedenfalls die größte Wahrscheinlichkeit für sich.

Trifft sie das Richtige, so entkräftet sie zugleich den oben erwähnten Einwurf von De Barth., Elias könne aus der Romania nicht nach Spanien gegangen sein, da wir ihn bald darauf in Italien finden. Angenommen, der Trobador sei aus der Romania unmittelbar nach Spanien gegangen (wir konnten dies ja nicht mit Sicherheit feststellen), so ist es in Anbetracht der damaligen Schiffahrtsverhältnisse wahrscheinlich, daß er auf dem Seewege von Griechenland nach Spanien Cagliari, d. h. die Südspitze von Sardinien berührt hat. Daß der Aufenthalt in der Romania und in Spanien an und für sich in Zusammenhang zu stehen scheint, darf uns nicht wundern. Standen Provenzalen und Spanier von altersher schon in naher Verbindung, so war dies besonders betreffs ihrer Handelsbeziehungen mit dem Orient der Fall: hatten sie doch in Konstantinopel sogar gemeinsame Quartiere.78

Fassen wir nun noch einmal zusammen, was wir auf Grund von No. 12, 1, 14 und 2 feststellen konnten: ein Aufent- halt Cairels in Spanien erscheint gesichert, falls man berechtigt ist, einen solchen ohne sichere Gewähr, allein auf die Geleite gestützt, anzunehmen. Daß letztere aber bei Cairel eines realen Hintergrundes'entbehren soilten, wie es Stron'ski hinsichtlich

eines Geleites von Elias de Barjols meint,79 glaube ich nicht.

78. Heyd, Geschichte des Levantehandels im Mittelalter. 1897. S. 326—7.

79. Le Troub. E. de Barjols. S. 99: ..D'ailleurs ces apostrophes aux princes contemporains peuvent bien n'avoir &\€ parfois qu'un trait d'actualite* qui pouvait contribuer a räpandre davantage une chanson."

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denn wenn das Geleit nur den Zweck gehabt hätte, dem Liede „un trait d'aetualite" zu verleihen, so lag doch wohl z. B. die Nennung von Aifons IX. berühmtem Zeitgenossen und Vetter Alfons VIII. von Kastilien näher.

Wann aber der Aufenthalt in Spanien stattfand und in welcher Beziehung er zu der Fahrt nach dem Osten steht, läßt sich auf Grund der Geleite nicht sagen. Die Erwähnung des Markgrafen von Massa ferner deutet darauf hin, daß Elias möglicherweise Cagliari berührte, und es liegt in diesem Falle die Vermutung nahe, daß dies auf der Reise von der Romania nach Spanien (oder umgekehrt; vielleicht auch bei der Rückkehr von Spanien nach Italien, was allerdings zeit- lich schwer möglich ist) geschah.

Wir müssen aber noch die dritte Möglichkeit eines Aufent- haltes in Spanien nämlich nach 1220 diskutieren. Ein solcher würde sich ergeben, wenn man in No. 4 v. 38 die Lesart der Hschr. EM en Espanha annimmt, wie Jeanroy80 vorschlägt. Hschr. AD (IK) bringen den Vers dagegen in folgender Fassung: (Vers, vai t'en tost e correnl) e non sai on qiiieu te segrai breumen, Hschr. H hat: en Spina. De Barth.81 hat m. E. mit Recht die Lesart von AD (IK) aufgenommen. Warum diese zu einem „non sens" (Jeanroy) führe, sehe ich nicht recht ein. Aus der ganzen Situation, in der das Lied abgefaßt ist (s. u.), ergibt sich ganz gut, daß der Dichter in Ent- täuschung und Mißstimmung noch im Unklaren darüber ist. wohin er sich wenden solle. Will man AD (IK) aber (die Mehrzahl der Hschr.) verwerfen, so bleibt immer noch die

80. Rom. 42 (1913), 592. Jeanroy fährt hier übrigens fort: „On sait d'autre part (d AdM XVI 492) que Cairel a voyage en Espagne/' üerade an der von ihm zitierten Stelle wird aber der Aufenthalt in Spanien sehr in Frage gestellt!

81. Memorie d. R. Acc. d. seienze d. Ist. d. Bologna (op. cit.) I. S. 92 .

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Lesart en Spina (H) als aufnehmbar zu erwägen, denn damit kann nach De Barth. AdM XVI 492 S p i g n o in Monferrat gemeint sein, und ist es nicht eher denkbar, daß Schreiber das ihnen unbekannte Spina durch Espanha er- setzten, was ihnen durch die Geleite von No. 1 und No. 12 nahegelegt wurde, als daß sich das Umgekehrte ereignet hätte? Gerade von dem Schreiber der Hschr. H wissen wir, daß er ein Oberitaliener war, während die der anderen Hschr. so weit dies nicht überhaupt zweifelhaft ist nur ganz all- gemein aus Italien stammten.

Ausschlaggebend ist also einzig und allein die Lesart von 4, 38, die bei Aufnahme von en Espanha in den Text eine Umdatierung von No. 1 und No. 12, ja, vielleicht auch von No. 2 (und No. 6?), erfordern würde. Da aber Hschr. A über- haupt die beste und sicherste Lesart für diesen Text zu bieten scheint (s. Anm. zu No. 4), so behalte ich auch hier die Lesart von A bei. Die Lesart en Espanha ist demnach abzulehnen. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß Cairel in seinen späteren Liedern italienische Verhältnisse berührt, sich also wohl dort befand.

Der Aufenthalt in Italien.

Ehe wir zur Besprechung der in Italien entstandenen Lieder übergehen, sei kurz die Frage berührt, wen wir in der in No. 2 besungenen „Herrin in Griechland zu sehen haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es wohl Isabella sein, wie auch Schultz-Gora82 annimmt.

Erwähnt aber sei bei dieser Gelegenheit noch eine andere Dame „na Ponssa part Durat z", an die das 1. Geleit von No. 13 gerichtet ist, denn eine domna de terra grega war

82. Dichterinnen S. II.

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schließlich auch sie, wurde doch die Bezeichnung „Griechen- land" in allgemeinerem Sinne auch für das ganze Ostreich gebraucht.83 Ueber Ponssas Persönlichkeit ist leider nichts bekannt. „Part Dur atz" ist eine recht unbestimmte Lokali- sierung, mit der sich kaum etwas anfangen läßt. Sollte Elias etwa auf der Hin- oder Rückreise nach oder von Konstanti- nopel die Gegend von Durazzo, das ja „a l'entree de Grece" liegt, berührt haben? Es sei jedenfalls daran erinnert, daß von Durazzo eine alte Römerstraße nach Saloniki (Thessa- lonich) führt.

Kehren wir nun zu den weiteren Schicksalen unseres Trobadors zurück. No. 4 nennt Kaiser Friedrich IL, denn nur er kann mit dem v. 31 erwähnten „seither d'emperi gemeint sein. Ausschlaggebend für die Datierung des Liedes ist die Lesart von v. 31. (vgl. auch Anm. zu No. 4 v. 31). De Barth, entscheidet sich m. E. mit Recht für die Lesart von Hschr. E: „Lo plazen rei qu'ar es senher d'emperi" etc. und schließt daraus, daß das Lied ziem- lich unmittelbar nach der Krönung Friedrichs II. verfaßt sei (sie fand am 20. November 1220 statt). Cairel sei, wie viele seiner Genossen, Friedrich von Oberitalien nach Rom ge- folgt und habe dort seiner Krönung beigewohnt. Doch bald darauf wann können wir wiederum nicht feststellen sei die Trennung erfolgt und zwar auf Grund bitterer Enttäu- schung, da der Kaiser sich nicht freigebig zeigte, sondern der Trobador im Gegenteil so abmagerte, „daß die Feile nichts von ihm abfeilen könne" (so sehr bestände er aus Haut und Knochen).

Entscheidet man sich jedoch für die Lesart que er senher

82. „Duras est la premiere cite a l'entree de Grece par devers Puille." Estoire d'Eracles Empereur. Recueil des historiens des croi- sades, Hist. Occident. Bd. II (Paris 1905) S. 290— 1. Weitere Belege bei Crescini. AdM XI (1899) S. 425 ff.

84. Memorie, S. 91 tf.

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d'emperi, so wäre das Lied „nicht lange vor 1220 ent- standen"85), d. h. also wohl in dem Zeiträume vom Juni 1219 bis zur Krönung am 20. November 1220.

Keineswegs überzeugend aber ist für mich die Behaup- tung von De Barth., Cairel sei dem Kaiser auf eigene Faust nach Rom gefolgt er kann sich ebenso gut im Gefolge eines Fürsten, etwa des Markgrafen von Monferrat, befunden haben, welch' letzterer gleichfalls der Krönung beiwohnte.

Elias trennt sich nun zwar von dem Kaiser, nimmt aber auch in der Folgezeit regen Anteil an seiner Person, sowie auch an den Angelegenheiten des Markgrafen Wilhelm von Monferrat, eine Tatsache, die, wie bereits erwähnt, für sein weiteres Verweilen in Italien spricht.

Ueber die Datierung von No. 11 (Kreuzlied) ist von De Barth.86 und Lewent87 sowie auch von Schultz-Gora8 gehandelt worden. Leider muß ich mich auf eine Besprechung der Schwierigkeiten, die sich für die Datierung bieten, beschränken zu lösen vermag ich sie auch nicht.

Cairel nennt v. 41 Friedrich „Emperaire" , v. 52 spricht er von der „Beraubung" (deseret) des [Stiefbruders Wilhelms von Monferrat, d. h. also des jungen Demetrius (der Name wird nicht genannt). Die erstere Tatsache spricht für die Ab- fassungszeit nach dem 20. November 1220 (Kaiserkrönung), letztere beschränkt sie auf die Jahre 1222—1224, aller- höchstens ließe sich Juli 1221 als terminus a quo ansetzen, denn damals begannen die Angriffe des Theodorus Angelos Tyrannen von Epirus, auf Thessalonich, durch die der junge Demetrius seines Reiches verlustig ging (1222 eroberte

85. Wittenberg, Hohenstauien S. 59.

86. AdM XVI 492 und Memorie S. 93 und S. 103.

87. Das altprov. Kreuzlied, Berlin 1905, S. 33 ff.

88. Lit Blatt 1906, Sp. 288..

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Theodorus die Hauptstadt Thessalonich). Demetrius selbst war nach Italien geeilt, um bei seinem Bruder und bei Kaiser Friedrich Hilfe zu erbitten. Im April 1224 lieh dieser Wilhelm von Monferrat, da- ihn auf Sizilien aufsuchte, 9000 Mark, und alsbald begannen die Rüstungen für den Feldzug. Das Lied, das den Markgrafen noch wegen seines Zögerns tadelt, muß daher vorher verfaßt sein.

Nicht vereinbar mit diesen Tatsachen ist es, daß v. 39 die Kaiserin lolanta von Konstantinopel noch lebend erwähnt wird, als deren Todesjahr 1219 gilt.89 Da wir das Datum ihres Todes nicht bezweifeln können, so stehen wir hier vor einem Rätsel. Es bleibt schließlich doch nur die Möglichkeit, daß eine Verwechslung vorliegt. Die Behauptung Lewents, daß der Dichter, der doch, selbst lange in der Romania war, hätte besser über die dortigen Verhältnisse orientiert sein müssen, scheint mir nicht überzeugend befand sich doch Elias schon wieder eine beträchtliche Weile (er. 10 Jahre) fern von Byzanz, und Ereignisse von einschneidender Bedeutung, wie z. B. der jähe Tod Kaiser Heinrichs am 11. Juni 1216, hatten sich in seiner Abwesenheit zugetragen. Von dem Auf- bruch des Nachfolgers auf dem Kaiserthron Robert (s. S. 12.) aus dem Abendlande Ende 1220 und seinem Aufenthalt in Ungarn Anfang 1221 wird er aber natürlich Kunde gehabt haben. Ich möchte darin den Grund sehen, das er den Kreuz- fahrern (v. 35) den Weg durch Ungarn vorschlägt,90 was De

89. Bezeugt in der Chronologia Roberti Altissidorensis, Rec. des hist. des Gaules et de la France Bd. XVIII S. 288 und durch den Brief des Jacobus Theupolus, Podestä von Konstantinopel, vom 12. Dezember 1219, s. Tafel und Thomas (op. cit.) Bd. 13, S. 215 ff. Der Tod Iolan- tas muß vor dem 12. Oktober erfolgt sein.

90. Robert zog durch Ungarn; Estoire d'Eracles (op. cit.) S. 394: „. . . .si s'en ala par Hongrie, car la roine estoit sa suer, de cui il oi conduit et aide dou rei de Hongrie par mi sa terre et par mi Blaquie."

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Barth. Memorie S. 93.) verwunderlich scheint in Anbetracht dessen, daß nach 1220 alle der Meinung waren, der Kreuzzug müsse von Italien aus auf dem Seewege unternommen werden. Hat vielleicht die Erwähnung Ungarns die Verwechslung ver- ursacht? Dort lebte ja auch eine Iolanta, die Gattin des Königs Andreas von Ungarn, die Schwester Roberts und Tochter jener Iolanta von Konstantinopel.

Lewents Auffassung, der sich bemüht, das Lied auf das Jahr 1219 zu datieren, kann ich nicht teilen, obgleich Schultz- Gora91 ihm zustimmt. Vor allem möchte ich darin wider- sprechen, daß Elias „des Reimes willen" Friedrich schon 1219 „Emperaire" genannt habe. Ein Dichter, der wie Cairel mit großer Gewandtheit schwierige Reimverknüpfungen meistert, hätte sich wohl auf andere Weise zu helfen gewußt. „Deseret" ferner, das Schultz-Gora als „Uebertreibung für die Lage des Demetrius" ansieht, möchte ich unbedingt wörtlich auffassen Cairel neigt nicht zur Uebertreibung, sondern wählt präg- nante Ausdrücke. Die Zahl hyperbolischer Ausdrücke in sei- nen Gedichten ist nicht groß (s. Stilistik I 10), und daß er No. 9 Str. 4 ein falsches Bild von Kaiser Heinrich entwirft, oder jedenfalls ein etwas anderes als wir aus der Geschichte kennen, ist auch nicht so erstaunlich. Wissen wir denn in welchem Lichte Heinrich der Lombardenpartei erschien? Daß Schultz-Gora schließlich das Kreuzlied gar schon Früh- jahr 1218 datieren möchte, da die Eroberung von Damiette (1219) durch die Kreuzfahrer nicht erwähnt sei, ist für mich auch nicht überzeugend es ist im Gegenteil zu bemerken.

Daß bei Cairel Beziehung auf den 4. Kreuzzug, d. h. auf die ihn einleitende Eroberung von Zara, vorliegt, das eine Stadt des Ungarn- königs war (W. Norden. Der 4. Kreuzzug im Rahmen der Beziehungen des Abendlandes zu Byzanz, Diss. Bln. 1898, S. 14), glaube ich keines- falls.

91. Lit. Blatt. 1906 Sp. 288.

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daß Damiette 1221 wieder verloren ging und aus diesem Grunde jenes Ereignis vielleicht nicht berührt wird.

Ich halte es demnach für wahrscheinlicher, daß das Ge- dicht in späterer Zeit verfaßt wurde, vielleicht um die Differenz nicht gar zu schroff zu gestalten noch im Jahre 1221."

Ebenfalls 1222—1224 muß No. 13 verfaßt sein, denn es enthält dieselben Aufforderungen: einerseits, der Kaiser solle nicht mehr zu lange jenseits des„Far",93 d. h. auf Sizilien ver- weilen (v. 49 ff.) [sondern endlich den geplanten Kreuzzug unternehmen], andererseits, der Markgraf solle endlich Mut fassen, sonst werde Monferrat spät herrschen (v. 68 ff.).

Da sich Kaiser Friedrich in der Zeit von 1222 1225 zweimal längere Zeit auf Sizilien aufhielt (von Juni bis Oktober 1222 und von Juni 1223 bis April 1225), so müssen wir zwischen beiden Zeitpunkten die Wahl treffen. De Barth. (Memorie S. 103) entscheidet sich wegen des Ausdrucks trop lo vei demorar für letzteren, desgleichen Wittenberg,94 und zwar setzt letzterer die Entstehung nicht lange vor den Auf- bruch Wilhelm von Monferrats im Dezember 1224. Vielleicht geht Wittenberg hierin etwas zu weit (hatten doch die Rüstungen Wilhelms schon im April 1224 begonnen), aber die Abfassung während des zweiten Aufenthaltes auf Sizilien hat auch für mich die größere Wahrscheinlichkeit.

In v. 55 ff. will Torraca95 übrigens eine Anspielung auf das

92. Torraca, Studj su la Urica italiana del ducento. 1902 S. 304 Anm. datiert 22. Nov. 1220 Januar 1224.

93. Straße von Messina; Langlois, Table des Noms Propres de toute nature compris dans les Chansons de Geste. Paris 1904, S. 212.

94. Hohenstaufen S. 63.

95. Federico II e la poesia provenzale. Nuova Antologia, terza serie, vol. 55. (1895) S. 248.

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Treiben der aufrührerischen Sarazenen sehen96 auch dies würde für die Abfassungszeit zwischen Juni 1223 und Ende 1224 sprechen, denn erst damals ging Friedrich energisch gegen dieselben vor. Vielleicht ist also No. 13 Anfang 1224 entstanden.

Bemerkenswert ist ferner noch, daß Cairel hier dem Kaiser Lob spendet, also gegen No. 4 und No. 11 ein Um- schwung in seiner Gesinnung eingetreten sein muß eine bei den Trobadors ja nicht seltene Erscheinung.

Die übrigen Lieder No. 8, No. 10 und No. 5 (Attribution zweifelhaft s. u.) bieten keinen Anhaltspunkt für ihre Ab- fassungszeit. Beachtenswert ist höchstens in No. 10 das Motiv der Freude darüber, daß eine Dame, die den Dichter hintergangen hat, nun ihrerseits betrogen wird, ein Motiv, das in zwei der in der Romania verfaßten Lieder (No. 1 und No. 3) ebenfalls auftritt, und vielleicht ein Fingerzeig für die Entstehung sein könnte. Allerdings kehren ja solche Motive bei den Trobadors oft wieder.

Somit heätten wir die Quellen für Cairels Leben erschöpft, seine weiteren Schicksale sind uns unbekannt. Aus welcher Quelle die Hist. litt. (S. 494—5) entnimmt, er habe 1229. am Kreuzzuge teilgenommen und mit welchem Rechte sie den Tod ungefähr 1260 ansetzt, weiß ich nicht.

Es bleibt uns nur die Angabe der Vida (AIK). d^ß Cairel in seiner Vaterstadt Sarlat sein Leben beschloß.

Ueberschauen wir nun noch einmal im Geiste unsere Untersuchung, um festzustellen, zu welchem Ergebnis sie ge- führt hat, so müssen wir leider sagen, daß das Resultat ein ziemlich negatives ist: Gar Manches, was gesichert schien. hat bezweifelt werden müssen. Wie so oft stehen wir auch

°6. Jastrow und Winter, Deutsche Geschichte im Zeitalter de: Hohenstaufen. (Bibl. deutscher Gesch.) Bd. II (1001) S. 317.

44

bei Elias Cairel vor der bedauerlichen Tatsache, daß die meisten Nachrichten über sein Leben nur den Wert glaub- würdiger Hypothesen haben.

Uebersicht über die gewonnenen Ergebnisse. Aufenthalt in der Romania:

No. 3: 1202—7.

No. 7: 1204 bis Juni 1206, wahrscheinlich Sommer 1204.

No. 9: Herbst oder Winter 1208.

No. 6: Um dieselbe Zeit wie No. 9, aber im Frühling.

No. 1: 1207/8—1209/10 (?).

Beziehungen zu Spanien:

No. 2: 1210—11 (15?), vermutlich 1210? (Cagliarü). No. 12: ?. No. 14: ?.

Aufenthalt in Italien:

No. 4: Juni 1219 bis 20. November 1220 oder bald nach dem

20. November 1220. No. 11: 1221/22—1224, vielleicht 1221? No. 13: 1222—24, wahrscheinlich 1224.

Undatierbar:

No. 8, No. 10, No. 5 (?).

Attribution.

Von den Liedern Elias Cairels (Bartsch Ordr. Nr. 133) werden* ihm Nr. 1 14 mit Ausnahme von Nr. 5 entweder von sämtlichen Handschriften oder doch von einer über- wiegenden Mehrheit zugeschrieben. In Hschr. N sind Nr. 1, 2, 3, 10, 12, 13, 14 anonym, doch ist bei Nr. 11, das in der Reihe der anderen Lieder des Trobadors steht, Elias Cairel als Verfasser angegeben, bei Nr. 3 steht der Name von späterer Hand. Anonym steht ferner Nr. 8 mit v. 14 beginnend in Aa (MCCLXIXJ und Str. 2 desselben Liedes in Hschr. J. Eben diese Strophe wird im Breviari d'arnor (a) dem Mönch von Montaadon attribuiert.1 Nr. 1 und Nr. 2 werden in Hschr. G Uc de Saint-Circ zugeschrieben, dessen Lieder dort denen Cairels unmittelbar vorangehen.2 Bei Nr. 3 steht in R der Name Bernaus von Ventadorn. Nr. 9 hat nach dem Register von Hschr. C Lambert i de Bonanel zum Verfasser, beim Texte selbst steht der Name Cairels. Bei all diesen Liedern dürfte die Attribution nicht zweifelhaft sein.

Das Gleiche wird sich von Nr. 7 behaupten lassen, der Tenzone zwischen Isabella und rfElias Cairel. Zwar war Cairel bürgerlicher Abkunft, und die Adelspartikel käme ihm

1. O. Klein, Die Dichtungen des Mönchs von Montaudon, Mar- burg 1885 Ausg. u. Abhdlgn. .hrsg. v. Stengel VII. S. 79.

2. Salv. de Grave et Jeanroy, Poesies de Uc de Saint-Circ, Tou- louse 1913, Bibl. Merid. XV. S. XXXVII Nr. IV, S. XXXVIII Nr. V.

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nicht ohne weiteres zu, doch scheint der Gebrauch von ert nicht ein so beschränkter gewesen zu sein. In der Anrede oder im Munde dritter war en wohl gelegentlich eine Höf- lichkeitsformel. Arnaut Daniel z. B. nennt sich selbst stets nur Arnaut, dagegen heißt es VI 33 ff. (Canello): „E di- guas tug, pos ieu non laus nomnar:/Bela, prendetz per nos n' Arnaut en cort / E no metatz son chantar en defes.3 Möglich ist es ja auch, daß Isabella mit einer gewissen Ironie den Trobador „ri Elias Cairel" nennt, und schließlich könnte die Partikel auch die Zutat eines Schreibers sein. Wie dem nun sein möge die Echtheit der Attribution braucht m. E. nicht bezweifelt zu werden ; es wäre doch höchst sonderbar, wenn es noch einen zweiten Elias Cairel gegeben hätte, der im fernen Osten eine Dame Isabella besang!4 Ich denke also, man geht nicht fehl, wenn man in nf Elias Cairel unseren Trobador sieht.

Bei dieser Gelegenheit sei der Tenzonen gedacht, die ein n' Elias (ohne weitere Namensangabe) wechselt: Grdr. 52,4 = Grdr. 131,1 (Tenzone zwischen n' Elias und Bernart und Grdr. 131,2 (Tenzone zwischen En Jaufre und En Etyas). Grdr. 5 2,4 will Carstens5 (S. 14) dem Elias d'Uiscl zuschreiben. Bedenken hiergegen erheben sich vom metrischen Standpunkt,6 doch dürften diese durch folgende Argumente beseitigt werden: 1.) das Strophenschema ist ein mehrfach (wenn auch variiert) in der prov. Lyrik verwendetes, und das fragliche Lied Cairels macht durch seinen Binnen-

3. So Canello mit Hschr. E C. In der Neua-jsgabe von R. Lavaud (AdM XXII [1910] S. 50) lautet v. 34 allerdings: „Beta, prendetz per nos ä' Arnaut acort"

4. Vgl. Lebensnachrichten S. 15 ff.

5. Die Tenzonen aus dem Kreise der Trobadors Gui, Eble, Elias und Peire dUisei, Diss. Königsberg 1914.

6. Vgl. Metrik S. 59, Nr. 6.

47

reim eventuell auch eine andere Auffassung der Strophen- form möglich; 2.) das Thema der Tenzone paßt entschieden in den Rahmen der von den d'Uisel behandelten Streit- fragen, 7 während man aus den Liedern Cairels doch den Eindruck gewinnt, daß er abstrakten Grübeleien ferner steht. Immerhin wird man Lewent (Lit. Blatt 1915, Sp. 277) nicht Unrecht geben, wenn er in seiner Rezension der Arbeit von Carstens das Lied in den Anhang verweist.

Grdr. 131,2 (!)8 nimmt Stronski S. XLI ff. mit Wahr- scheinlichkeit für Elias de Barjols in Anspruch und fügt es als Nr. XV mit zweifelhafter Attribution seiner Ausgabe dieses Trobadors bei.8a l

Von den unter Cairels Namen aufgeführten Gedichten ist nur die Attribution von Nr. 5 zweifelhaft, das in Hschr. E Cairel, in Hschr. a Peire Vidal zugeschrieben ist. Mangel an Bildern' und Vergleichen, sowie die metrischen Eigentüm- lichkeiten der Canzone machen die Autorschaft Cairels sehr unsicher9. Ein Vergleich mit den sonstigen Formen Peire

7. Man vgl. auch R. Zenker, Die prov. Tenzone, Erlangter Diss. Leipzig 1888 S. 43, auf den sich Carstens 1. c. beruft. Bei Zenker ist dort eine Strophe der Tenzone in Uebersetzung abgedruckt, was Lewent (Lit. Blatt 1915 Sp. 277) übersehen hat.

8. Bei Stronski infolge eines Druckfehlers Grdr. 131,1. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß Stengel in seiner Rezension der Arbeit von Stronski, Ztschr. frz. Spr. Lit. 31 (1907) S. 21 ff., ev. auch Barjols XIII (Stronski) dem E. Cairel zuschreiben möchte, da es in 2 Hschr. , (Ea) unmittelbar vor den Liedern Cairels stehe, und „die im Texte ent- haltenen Anspiegelungen durchaus nicht im Zusammenhang mit Elias Barjols zu stehen brauchen" das wohl, aber mit Cairel, stehen sie in g a r keinem Zusammenhang! Ib. S. 22. „Von den Gedichten,

für welche die Hschr " etc. lies „Barjols" für „Cairel".

8a. Le Troubador Elias de Barjols. Toulouse 1906.

9. s. auch S. 56, S. 58, S. 63.

48 =-

Vidals entscheidet die Attributionsfrage zugunsten dieses Trobadors. Für seine Canzonen verwendet nähmlich Cairel kompliziertere Formen, allenfalls kämen Nr. 6 und Nr. 8 der von Peire Vidal bevorzugten Einfachheit nahe. Bei Peire Vidal dagegen würden etwa die Lieder 10 Nr. 8 (7a a a b a a b), Nr. 33 (lOa-b^a-b-ccbc), Nr. 32 (wie 33, aber Tornada mit dem drittletzten Verse beginnend), vielleicht auch Nr. 17 (7a~bwb-a~ccd~) und Nr. 41 (lOabbac^ddc-) der hier vor- liegenden Form ähnlich sein. Der Versteckname „Miralh" n der Tornada findet sich sonst weder bei Cairel noch bei Peire Vidal, doch braucht Cairel offenbar überhaupt keine Verstecknamen. Da sich aber in Anbetracht der allgemeinen Farblosigkeit der Canzone eine sichere Entscheidung nicht treffen läßt, nehme ich sie dennoch aber mit allem Vor- behalt — auf.11

Attribuiert werden Elias Cairel ferner noch : G r d r. 132,1 Grdr. 249,5 G r d r. 372,3 Nach Stronski, Barjols S. XXV ist für Grdr. 132,1 Elias de Barjols als Verfasser anzusehen.

Grdr. 249,5 gebührt, wie Stronski (a. a. 0 ) S. XXXIV bemerkt, ein Platz im Anhang einer Ausgabe Cairels. Die Attribution bleibt zweifelhaft, spricht aber zu Ungunsten unseres Trobadors. In D ist das Lied Guiraut de Salaignac zuge- schrieben, in M Guillem de Salenic, in C Elias de Barjols, in E Elias Cairel, in V ist es anonym. Auffällig ist, daß wiederum Hschr. E Cairels Namen bringt, die auch die zweifelhafte Attribution von Nr. 5 (s. o.) hat und zwar folgt

10. Ausgabe von Bartsch.

11. Anglade in seiner Neuausgabe Peire Vidals (Class. Franc,, du Moyen-Age Nr. 11), Paris 1913, erwähnt das vorliegende Lied mit keinem Wort (S. VII ff.), obgleich er fünf weitere Lieder zu der Aus- gabe von Bartsch hinzufügt

49

hier Grdr. 249,5 unmittelbar auf Nr. 5 als letztes der unter Cairels Namen überlieferten Lieder. Ich bin geneigt, beide Lieder als irrtümlich unter dem Namen unseres Trobadors hinzugefügt anzusehen. Auch nach Metrum und Sprache zu urteilen, würde ich für Grdr. 249,5 aus denselben Gründen wie bei Nr. 5 die Verfasserschaft Cairels ablehnen.12

Grdr. 372,3 schreibt Niestroy 13 unter Berufung auf Paul Meyer, Rom. 19,45 ff. ,,nach den handschriftlichen Zeugnissen" Pistoleta zu, da die Hschr. C D I14, nach Niestroy auch K (?), sowie Matfre Ermengau im Breviari d'amor Pistoleta als Verfasser nennen, während die übrigen Hschr. mit Ausnahme von R und dem Register von C das Gedicht anonym bringen.1"' In R und dem Reg. von C wird Elias Cairel genannt. Eine Untersuchung des Handschriften- verhältnisses, die mir Geheimrat Appel anriet, bringt ein überraschendes Ergebnis. Neben recht komplizierten Verhält- nissen, auf die ich nicht eingehe, tritt eins sofort klar zu Tage: R folgt in auffallender Unabhängigkeit von den an- deren Hschr. einer gesonderten Tradition: v. 7, 11, 13 [v. 14 fehlt allein R], v. 15, 16, 17, 18, 19, 20, 22, desgl. auch 21, wo allerdings eine Annäherung an die durch v. 2, 7, 21, 24 erkenntliche Gruppe CJ erfolgt. Sonst steht C hier R völlig fern und zeigt deutliche Verwandschaft mit den

12. Von Guiraut de Saügnac sind sonst nur 3 Canzonen mit ein- achem Metrum, sowie ein Descort mit unregelmäßigem Strophenbau überliefert. Strempel in seiner Ausgabe des Guiraut von Salignac (Rostocker Diss. Lpzg. 1916) läßt die Attributionsfrage gleichfalls offen S. 37 (ff.), führt aber die Erwähnung von Pyramus und Thisbe als Zeugnis für die gute Bildung Guirauts an (S. 13 ff.).

13 Der Trobador Pistoleta (Beiheft, Ztschr. Nr. 52) Halle 1913. S. 13

14. Hier und im Folgenden sind nicht Meyers Bezeichnungen der Hschr., sondern die allgemein üblichen gewählt.

15. Auf die irrtümliche Angabe des Grdr. weist bereits Meyer (a. a. O.) hin.

50 r-

übrlgen Hschr. (v. 3, 5, 16, [ohne I] v. 19 [ohne K], bei denen man etwa die Gruppen Da IK (v. 18, 24; v. 2, 3, 10 im Verein mit anderen Hschr.) und G L (?) (v. 2; 11, 12, 16, 17, 19, 21 meist zugleich mit anderen Hschr.) unterscheiden kann. R, das uns am meisten interessiert, zeigt mit allen diesen Hschr. keine nennenswerte Ueber- einstimmung (von Fällen abgesehen, wo der größte Teil aller Hschr. die gleiche Lesart bietet); wichtig dürfte nur v. 24 eine gewisse Aehnlichkeit mit T sein, das seinerseits schwer einer bestimmten Gruppe zuzuordnen ist und v. 24, 25, 31 eigene Wege geht. Die 5. Strophe fehlt übrigens, das sei noch hervorgehoben, den Hschr. LRT. Die Sonderstellung von R muß unbedingt stutzig machen, denn gerade R nennt ja Cairel als Verfasser. Sollte demnach etwa R allein im Gegensatz zu allen anderen Hschr. die sichere und richtige Ueberlieferung bieten? Die Attribution von DaIR, deren Ver- wandschaft allgemein bekannt ist, fällt demgegenüber weniger ins Gewicht, und C, das sonst öfter Verwandtschaft mit R zeigt, sich hier aber auffällig abweichend verhält, führt ja im Register ebenfalls Cairel auf! Sollte dies auf einem Zufall beruhen ?

Nach dem Handschriftenverhältnis zu urteilen, würde ich das Gedicht wohl eher Cairel als Pistoleta zuschreiben, zumal R in Bezug auf Cairel auch an anderer Stelle ein von allen anderen Hschr. abweichendes Verhalten zeigt, nämlich im Falle der Ueberlieferung einer 6. Strophe des Sirventes Nr. 9, deren Echtheit entgegen allen sonstigen Bedenken doch wohl nicht bezweifelt werden kann (siehe Anm. zu Nr. 9 v. 41). Auch die Originalität des Gedichtes würde die Urheberschaft Cairels wahrscheinlicher machen als diejenige Pistoletas.

Auffällig ist es, daß bis jetzt Grdr. 249.3 keine Erwäh- nunggefunden hat, das „Wunschlied:" „Esparviers ni austors" von Cairels Landsmann und Zeitgenossen Guiraut de Salignac

51

(Strempel Nr. 1). Falls eine gegenseitige Beeinflussuug vor- liegen sollte, so würde ich Grdr. 249,3 als Nachahmung be- trachten, da es längs! nicht so vielseitig und originell ist, die Gedanken sich wiederholen usw.]8. Aber der Umstand, daß das Lied gerade von einem Landsmann Cairels stammt, gibt in Betreff der Attributionsfrage von Grdr. 372,3 zu denken und spräche ebenfalls für die Verfasserschaft Cairels Anders verhält es sich vom metrischen Standpunkt aus. Eine derartig einfache Form entspricht nicht den Gepflogen- heiten Cairels. Vielleicht ließe sich diese Form allerdings durch die Eigenart dieses Wunschliedes erklären, verwendet doch Cairel in erster Linie für seine Canzonen komplizierte Strophengebilde, und so wäre hier eine Ausnahme denkbar Die Autorschaft Pistoletas ist demnach stark zu bezweifeln17

16. Strempel (S. 24) schätzt m. E. den Wert des Liedes zu hoch ein.

17. Stronski (1. c. S. XXVII Anm.) möchte ferner Descort Joi e chan$ e solac (nicht im Grdr., allein in N [anonym], veröffentlicht Suchier, Denkmäler I 315) Cairel zuschreiben wegen des ersten Verses. Joi und solatz werden nicht nur von Cairel, sondern auch von anderen Trobadors gepriesen. Inhalt und Strophenform lassen keine Schlüsse über etwaige Autorschaft Cairels zu.

Metrik.

Strophenformen.1

Nr. 1

VId

2 2 910 'gha = fgha

10

B1 B1

10

B2 B2

10

C a1

410

*d *d

HO

Jd jd

10

we a2~

Nr. 4

VI d

3 8 *a

7 ^b

7 ~c

7 ^d 37 .e

10 ~ e

Nr. 2(„Vers")

Nr. 3

VId

V d

7

~a

5 a

7

~b

7 b

7

«B

5 b

7

wC

7 a

7

wd

5 c

7

~e

5 c

7

^F

7 d

7

-g

3 d 5 e 8 e 8 f 8~f

Nr 5 (?Y

Nr. 6

VI d

V d

10 a

8 a

10 a

8 b

10 b

8 b

10 c

8 c

10 d

<

M0cd

10 d

10 d

10 c

10 d

10 d

10 c

1. Die Bezeichnungen sind dieselben wie die der Appelschen Bernart von Ventadorn-Ausgabe.

2. ~ Voranstehend: cobla capfinida; nachstehend: cobla capeaudada

3. Attribution zweifelhaft

63

Nr. 7. (Tenzone)

Nr. 8

Nr. 9 (Si

rve

ntes)

VI d

V d

VI (V)

d

8 a

10 a

8

a

8 b

MO ab

8

b

8 b

10 b

8

b

8 a

10 a

4 !0(a)C4 4 !0(a)C

8

a

10- 10-

-c

10~c 10-c

10 d 10 d

8 d 8 d~

10 10

d

d

Nr. ü (Kreuzlied)

Nr. 12

Nr. 13

Nr.

14

VI d

IV d

V d

V

d

10 a

8 a

37e ~a

6

a

10 b

8 b

47 b6

6

b

10 b

8 b

7 ~a

6

b

10 a

4 a

7 b

0 1

6 3 3

7

b

410 aC5

8 a

3 b

c

. 10 c

4 C

17 bG

c c

1 f\ -J

4 C

7 c

5 c 5 c '3 dd 3 c 5 d~

10-^d

3 4 3 7

10~d

8 d 4 d 8 e 8 e-

d d e e

4

a

6

-a'(c

4. Nur Str. 3, 4, 5 haben Binnenreim.

5. Binnenreim fehlt in der 1. Tornada.

6. Siehe unten Anm. 8.

7. Verwandter Reim mit v. 1 derselben, grammatischer mit v. 1 der folgenden Strophe.

54

4 2 10 hta

4 2 10 hla

42 10 b«a

42 10 hta

42 10 tca 4 2 10 b£a

Nr.

10

(Descort).

IX

410 fd

37 gg

410 fe

36 Jh

410 fd

37 «g

410 ie

36 Jh

410 td

37 gg

410 <e

;i6 Jh8 37 gg

36 ^h

5 48i

5 48i

5 48ij

5 48ij

4 l(Mk

28^k

4 10^k

28™k |

4 10-ik

4 10^k

i

4 10-ik

4 KMk

6_n 6~n 3 b

2 0 6~n 6~n

3 o 6^n

2 0

24ee

7 e

2 4 -e

7 e

2 4 ee 7 e

24ee

7 e

8. Nr. 13 v. 50 und Nr. 10 v. 18 hat dde erste Vershälfte eine Silbe zu viel, die zweite dafür eine zu wenig. Derartige Unregel- mäßigkeiten im Versbau bei Binnenreim finden sich zuweilen, vgl. z. B. Marcabrun XXIV, Arnaut Daniel II, die überhaupt keine feste Gliederung im Vers.inner.11 in Bezug auf den Binnenreim zeigen; desgl. Uniregelmäßigkeiten in den von Smchier, Jahrbuch XIV, 292 zitierten Tenzonen.

55

Elias Cairel irrtümlich zugeschriebene

Lieder:

Elias de Barjols9

Pistoleta10

Guiraut de Salaignac11

V d

V d

VI d

7 a

10 a

7~a

8 b

10 b

7 b

8 b

10 a

7 b

7 a

10 b

7 c

7~c

10 ~c

7 c

8 d

10 wC

7 d

8 d

10 d

7 g

7^c

10 d

Bemerkungen zur Form von Cairels Liedern.

Die Melodien der Lieder sind leider nicht überliefert,12 was um so bedauerlicher ist, als vielleicht von der Vida A (IK) das musikalische Talent Cairels im Gegensatz zu sei- nem sonstigen Können gelobt wird. »Oder sollte es sich nur um seine Kunstfertigkeit im Schreiben von Neuimen handeln? In wie weit diesem Urteil der Vida Glauben zu schenken ist, mag ja dahingestellt bleiben und wird später erörtert werden. Uns ist jedenfalls durch diesen Verlust alle Möglichkeit eines Urteils genommen.

Was die musikalische Gliederung der Strophen an- belangt, so dürften aus dem Umfang der Tornado einige Schlüsse zu ziehen sein. Ein Blick auf die Strophenformen

Q. SlTonski VII (Grdr. 132, 1).

10. Niestroy IX (Grdr. 372, 3).

11. Grdr. 249, 5.

12. rfeohr. G hat wenigstens die Linien für diie Noten. Wir haben es also einem ungünstigen ZufaM zu verdanken, daß wir um die musikalische Erbschaft CaiireLs gebracht sind.

- 56 -

zeigt, daß in den meisten Fällen der Beginn der Tornada einem neuen Abschnitt des Strophengefüges entspricht. Nur in Nr. 2 ist dies nicht ersichtlich, doch handelt es sich hier um eine ganz regelmäßig aus 8 weiblichen Siebensilblern gebaute Strophe, die wohl eine gleichmäßig fortlaufende Melodie hatte. Eine stärkere Interpunktion dem Sinne nach am Schluß jedes vierten Verses ist nur in den beiden ersten Strophen zu konstatieren. - Sollte es mangelhafte Kunstfer- tigkeit sein, die denTrobador an einer Fortführung der inne- ren Gliederung hinderte, und könnten wir demnach auch hier aus der Lage der Tornada die musikalische Strophen- teilung erschließen? Unwahrscheinlich dürfte dies nicht sein, zumal aus Gründen der Harmonie eine Teilung der Verszahl in 4 -\- 4 naheliegt. Das Gleiche ist wohl auch in Nr. 8 der Fall. Hier fehlt zwar die Tcirnada, doch findet sich fast durchweg nach dem 4. Verse eine stärkere Inter- punktion, zum mindesten aber stets eine Pause im Sinn. Eine Ausnahmestellung nimmt einzig Nr. 5 ein, für das die Autorschaft Cairels aus diesem und manchem anderen Grunde zweifelhaft erscheint.13

Zur Frage des Binnenreims in Nr. 1, Stronski, Elias de Barjols, Anm. S. 52.

Nr. 2 wird vom Dichter selbst als „vers" bezeichnet. Falls er damit wirklich eine Dichtungsgattung bezeichnen will, so ist der durchgängig weibliche Vers bemerkenswert, da für den ,,vers" männlicher Vers als das Ursprüngliche angenommen wird.14

Nr. 4: Auf den Binnenreim im 1. Verse jeder Strophe weist Pillet hin im 89. Jahresbericht (1911) Bd. 1 der Schle-

13. Siehe Attributen S.-47.

14. Diez, Poesie, S. 8Q ff., Lewimsky, Zum geistlichen Kuiiiatliede in der aLtprovenzaiischen Literatur, Zeitschrift für franz. Sprache und Literatur 20, 243 iL

wm 57 ~

sischen Gesellschaft für vaterländische Kultur, IV. Abtlg. c. Sektion für neuere Philologie S. 11.

Nr. 6: Für die Auffassung des 5. Verses als Vers mit Binnenreim sprechen folgende Gründe: 1. Cairel verwen- det häufig Binnenreim (Nr. 1, Nr. 4, Nr. 8, Nr. 10 Str. I bis VIII, Nr. 11, Nr. 13); 2. er tut dies mit Vorliebe beim Zehnsilbler; 3. in dieser Form ist das Schema ein mehrfach in der aprov. Lyrik vorkommendes (s. u.).

Nr. 10: Bibliographie zum Descort bei Stronski, Elias de Barjols Amm. S. 45. -

Die Darstellung von Str. VII bietet gewisse Schwierig- keiten. Sind etwa v. 38—39, 41—42, 44-^15, 47—48 zu je einem Verse mit Binnenreim zusammenzufassen? Dann erhielte man aber für v. 41 42 und v. 47 48 den so seltnen Neunsilbler,15 und ich muß gestehen, daß ich alsdann auch v. 38 39 und 44 45 als Neunsilbler auffassen würde, in- dem bei diesen Versen wegen des vokaliischen Anlauts des zweiten sich ergebenden Halbversies Ver Schleifung anzu- nehmen wäre. Die unbetonte Endsilbe des ersten Halb- verses bei weiblichem Binnenreim wurde anscheinend schwankend behandelt, vgl. Pillet (a. a. O.) S. 8 ff. über Marcabrun XXIV. Bei Cairel läßt sich auf Grund der differenzierten Behandlung von Vokal oder Konsonant ein gewisses Prinzip feststellen. Gleichgeibaute Siebensilbler hat Guiraut d' Eespanha VI v. 11 ff. v. 21 ff. v. 31 ff.16 Mag man nun aber die Form der Strophe auffassen wie man will, so viel steht wohl fest, daß hier viermal das- selbe Musiksätzchen, vielleicht beim 2. und 4. Male mit eimer leichten Veränderung, wiederholt wurde.

15. Eir fändet sich u. a. bei Folquet v. Romans V, vgl. hierzu Zenker Seite 83 ff.

16. O. Hoby, Die Lieder des Trobadors Guirauit d'Espaniha. Diss. Freiburg (Schweiz) 1915, S. 107.

58 r-

Die Strophenformen Cairels in alphabetischer Folge der

Reime.

Nr. 10 (Descort):

aa 8 8 Str. VI.

aaaa 4 7 4 7 Str. VIII u. IX.

aaaaaa 10 10 10 10 10 10 Str. V.

10- 1Ö~ 10w 10w 10^10^ Str. I. aabaabaabaab 6-6-3 6-6- 2 6-6- 3 6-6-2 Str. VII. ababab 10 10 10 10 10 10 Str. II.

abababab 7 6-76-76-76- Str. III.

5 8- 5 3^5 8- 5 8~ Str. IV.

aabcddc 10 10 10 10 10 10 10 Nr. 5(?)

ababbccccdcd 7-77-737755335 Nr. 13.

abbaaccddee 88848448488 Nr. 12.

abbaccdd 10 10 10 10 10 10 8 8 Nr. 8.

abbaccdd 8 8 8 8 10-10-10 10 Nr. 7.

Nr 9 10 10 10 10 10 10 10- 10- Nr. 11. abbaccddeeff 5 7 5 7 5 5 7 3 5 8 8 8 Nr. 3.

abbbcccddeeaa' 6 6 6 6 3 3 7 3 4 3 7 4 6- Nr. 14.

abbccddee 8 8 8 8 10 10 10 10 10 Nr. 6.

aabbcdde 10 10 10 10 10 10 10 Nr. 1.

abbcdefg 7-7-7-7-7-7-7-7- Nr. 2.

abcdee 8 7- 7- 7- 7 10 Nr. 4.

Auch hier zeigt sich wiederum die Sonderstellung von Nr, 5.

Vergleich der Strophenformen Cairels mit denjenigen an- derer Trobadors.

Nr. 1: Maus'7 Nr. 802 (nicht als Form mit Binnen- reim). Allein von Cairel.

17. Feixe Caxdenals Strophenba'U

59 ^~

Nr. 2: Maus Nr. 719. Angabe des Versge schlechtes stimmt völlig weder für Raimbaut d'Aurenga 40 noch für Cairel. b und f sind bei R. d'Aurenga männliche Verse. Abgesehen von Metrum und Reimfolge besteht keine Ueber- einstimmung.

Nr. 3: Maus Nr. 554, 7. Silbenzahl? Die von Maus unter 7 gleichfalls aufgeführten Coblas 20, 25, 26, 30, 33, 48, 55, 67 von Giraut del Oliver d'Arle haben sämtlich andere Silbenzahl; 33, 48, 67 gehören infolge abweichenden Reimschemas überhaupt nicht hierher.

Nr. 4: Maus Nr. 795; in toezug auf Silbenzahl und Vera- geschlecht fehlerhaft. Keine ähnliche Form bei anderen Trobadors. Desgl.

Nr. 5 (?) s. S. 47: Maus Nr. 193.

Nr. 6: Maus Nr. 653 und 670. Bei den von Maus unter Nr. 670 aufgeführten Formen ist der Vergleich mit 1) nicht uninteressant. Es handelt sich um Grdr. 52, 4, Tenzone zwischen Bernart und N'Elias, die von Carstens18 (Nr. XII) ohne Bedenken dem Elias d'Uisel zugeschrieben wird. Der einzige Unterschied zwischen beiden Liedern besteht darin, daß in der Tenzone d weiblich ist, und daß ferner 5 Acht- silbler von 4 Zehnsilblern gefolgt werden (bei Cairel um- gekehrt 4 + 5). Im übrigen vgl. Attribution, S. 46.

Nr. 7: Maus Nr. 535, 18. Eine äußerst häufig vor- kommende Form. Cairel selbst verwendet sie Nr, 9 noch einmal. Die metrisch gleichen Liedformen anderer Troba- dors haben alle abweichende Reime. Abgesehen hiervon besteht völlige Uebereinstiimmung mit den Coblas 32 und 40 von Giraut del Olivier d'Arle; Cobla 69 dagegen sowie Grdr. 461, 116 haben im Widerspruch zu Maus andere Sil- benzahl und gehören daher nicht hierher. Die übrigen Lieder: Izarn lo Marques 1, Peire Cardenal 3, Aimeric de

18. Die Tenzonen aus <iem Kreise der .... d'Uiisel S. 14.

ÖO

Sarlat 3, Lanfranc Cigala 24, Maria de Ventadorn 1, Guü- lem de Muf*5, Raimbaut de Vaqueiras 17, N'at de Monis 1 haben nur männliche Verse, Gaucelm Faidit 13 (Elias d'Uisel) hat ein völlig abweichendes Schema (8aba 10 c c dd).

Nr. 8: Maus Nr. 134, 2 (fehlerhaft) und 535, 2.

Nr. 9: Siehe Nr. 7.

Nr. 10: Descort. Maus S. 128 ,, Unrege [mäßiger Stro- phenbau".

Nr. 11; Maus Nr, 471, 9. Wiederum nicht als Form mit Binnenreim und auch sonst nicht ganz richtig angegeben.

Nr. 12: Maus S. 89 (Anmerkungen 2) zu Nr. 38 und S. 54 55 Besprechung der ähnlichen Formen: Peire Car- denal 13, Raimbaut de Vaqueiras 19, Guiraut de Calanso 10, Peire Bremon 16, Mönch von Montaudon 2, Guillem Fabre 2, sowie eingehender Vergleich mit der Cairelis Lied am nächsten stehenden Form Lanfranc Cigala 9.

Nr. 13: Maus Nr. 315. Form ungenau.

Nr. 14: Maus Nr. 614 (Für e5 lies e7).

Fassen wir nun das Resultat der Untersuchung zusam- men: für Nr. 1, 3, 4, 10, 13, 14 kann Elias Cairel Urheber- schaft der Form beanspruchen (die Nr. 3 entsprechenden Coblas, die aus späterer Zeit stammen, könnten eventuell Nachahmungen sein).1J

Anlehnung an andere Formen, aber eine leichte persön- liche Note zeigen Nr. 6, 8, 11.

Als Nachahmungen sind Nr. 2, 7, 9, 12 anzusprechen. Für Nr. 2 möchte ich entgegen der Vermutung Canellos (Anm. zu IV 2) einen Einfluß Arnaut Daniels auf Elias Cai- rel verneinen. Die Form des betreffenden Liedes (IV) ist

7 a-b-c^d-8 e 7 M- 8 g, also eine abweichende. Die Wiederkehr des Ausdrucks „puois ni comba", eine von

19. Von Nr. 5 soll natürlich ganiz abgesehen werden.

61 -

Canello niclit verstandene stehende Wendung (vgl. Anm. zu Nr. 2 v. 1.) ist in Anbetracht der Seltenheit des Reimes auf omba leicht erklärlich. Auch sonst finde ich keine Aehnlichkeit im Strophenbau beider Trobadors.

Besprechung metrischer Einzelheiten.

Mit Ausnahme von Nr. 10 (Descort) sind alle Liedet Cairels coblas unissonans.

Refrainreim verwendet er Nr. 1 im zweiten und dritten Verse jeder Strophe (art und pari), Nr. 2 im drit- ten und siebenten Verse (tresca und entenda), Nr. 12 im 6. Verse {platz; v. 17 desplatz) und jeder 7. Vers ist Re- frain (jois e solatz).

Grammatischer R e i m findet sich, wie aus den Strophenformen ersichtlich, Nr. 1 und Nr. 14.

S t r op h e n v e r k n ü p f u n g: Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 8, Nr. 11, Nr. 13, Nr. 14.

Wiederholung von Reimwörtern (von rims equivocs und Wiederholung in der Tornada abgesehen) kommt bisweilen vor: Nr. 6 v. 14 und v. 32 {dir beide Male im Binnenreim), v. 23 (Binnenreim) und v. 31 (am Versende remir) ; Nr. 7 v. 2 und v. 35 {aver, dazu v. 19 auer als rims equivocs); Nr. 13 v. 22 und v. 58 {tan beide Male Binnenreim) ; ferner Nr. 8 wird cazer (v. 2) im 34. Verse wiederholt, doch liegen beide Reimwörter seht weit auseinander, und es handelt sich obendrein um eine Wiederholung in der letzten Strophe.

Lyrische Cäsur liegt vor: Nr. 4, 24, 6, 4B und 46,

4'.»» 25» 31» ü» i2» 23» 35» 4T v^asur nach der 6. Silbe: 1, n, 5 (?), l5, 7, B3 und auch 52< vorausgesetzt, daß man die Konjektur Schul tz-Goras beibehält (vgl. Anm. zu diesem Vers). 6, 18 fragt es sich, wo die Cäsur anzu- nehmen ist. Da die alte franz. Dichtung auch je als betonte

62

Silbe vor die Cäsur setzte,20, so werden wir es nicht mit lyrischer Cäsur zu tun haben, sondern nach ieu Cäsur an- nehmen können.

Erlaubter Hiatus zwischen Diphthong und Vokal findet sich in jedem Liede. Nach Appel, Bernart von Ven- tadorn S. CXVII wären diesen erlaubten Hiaten zuzu- rechnen Verbindungen, in denen „die Vokale , , , aus zwei Wörtern einen Diphthong bilden", hier no i anetz 7, 51, no ' i a 5 (?), so und ,,der Hiat, der bei der Elision eines tonlosen Vokals noch übrig bleibt", wie viuri' ieu 6,]S, soll esser 14, 2, deur'i om 5 (?), 24. Vielleicht gehört hierher auch 11, 35J wo mit Hschr. H zu lesen wäre per Ongari en terra de Grezes statt per Ongria en t. d. G., wodurch oben- drein die lyrische Cäsur wegfiele und der Vers m. E. an Glätte gewönne. -- Einige Hiate finden sich in Wortgruppen, die der Sprache als stehende Wendungen geläufig waren; merce e caustmen 6, ,-, 5 (?), 37; en boca ni en den 6, 49 (Sprichwort) ; ni gehört ja überhaupt zusammen mit qui, si, no, so, quo zu den vielgebrauchten Wörtern, mit denen die Leys den Hiat entschuldigen, und der öfter bei Cairel vor- kommt: ni en desert 1, 32; ni a sen 7, f)2 (vgl. aber Amm. d. h. Vorschlag mit Hschr. a1 ni sai tan zu lesen), ni ai poder 8, 28; ni afan 10, 32; ni eslonhan 11, ,; ni ela 12, :;s; ni aquest 13, H und schrecklich klingend ni ieu 12, 3(i. Ent- schuldigt wird Hiat auch bei Verbindung mit Formen von aver und dem adv. i (siehe Appel a. a. 0.), und so finden wir bei Cairel: ieu ai 2, f); i a 9, 24; mi am 10, 9; i ai 10, ^4. Anzuschließen sind nach Appel sui ieu 10, 2 und auch cui ieu 5 (?), ,(;. Ferner bemerkt Appel, daß Hiate da nicht so schwerwiegend seien, wo eine Pause gemacht würde, oder wo es sich um Aufzählungen handle; bei Cairel: pres de mi una lega 2, 30; farai canso; empero 8, ;s (liier auch

20. Tobiler, Versbau Serite 123.

63 r-

Cäsur nach canso) mi e Is autres 3, 47. Sehr störend wirkt aber graue e ben-estan 7, 31 und quan a a son senhor

11, 43 (beides keine Canzonen und vielleicht deshalb nach- lässiger gebaut), sowie ieu auch 5 (?), 3 und d'autra amar 5 (?), 35. Letzteres ist jedoch eine fragliche Stelle, Hsehr. E hat d' autras amar. Es bleiben dann noch einige Hiate, die weniger ins Ohr fallen: que oblidatz 8, 34; fo ancse 12, 13 (ließe sich leicht bessern); pero el 13, 55; lo enten 5 (?), 1(i; d'autra es 5 (?), 25; quaisso es 5 (?), 43. ^— Beachtenswert dürfte sein, daß wiederum Nr. 5 viel mehr Hiate aufweist als die übrigen Lieder Cairels.

Liste der Reimendungen.

achs Lied 5, agra 4, ai 1, 3, 10, aiire 9, 11, als 10, am

10, an 1, 7, 10, 11, 12, 13, 14, ana 10, ans 3, ansa 10,

13, ar 3, 10, 13, 14, ars 5, art 1, 9, assa 2, atz 1, 3, 6, 8;

12, 13, 14.

e 12, ebre 2, qg« 2. fjfe 4, H 9, en 1. 4, 5, 5, *', 10

13, enda 2, 10, ens 14, erisa 14, er 5, 7.8, ers 1, §fsa I. <? t 1, es 3, 10, 11, ^s 14 'esca 2.

ia 7, 8, 10, ic 9, il 1, 6, ima 4, ir 6, 11, ire 10

nher 4.

o 3, 10, oia 2, ol 13, om'ia 2, on 12, or 7, prs 10, os 6, 12.

ut 10.

*

Bemerkenswerte Reimwörter.

so 1- [atz] 13, 1;. im Reim mit offenem o, wo man doch das Gegenteil erwarten sollte; s. Anm. zu 13, ]3 p r o n 12, 32 im Reim mit Wörtern mit festem n. Entweder han- delt es sich hier um eine Nachlässigkeit Cairels, oder aber wir haben es mit einer verderbten Stelle zu tun, die von Schreibern korrigiert wurde, denen die on-Formen nich

- 64 -

geläufig waren.21 (Var. perdon.) Dies ist wohl wahr- scheinlicher auf Grund der abweichenden Lesarten der Hschr. Allerdings finden sich gelegentlich bei den Trobadors Verstöße gegen die Regel, welche Reim von Wörtern auf unfestes n mit solchen auf festes n verbietet. An letzter Stelle handelt hierüber wohl Stronski, Elias de Barjols zu XIII 18 (s. dort weitere Literaturangaben). Nirgends erwähnt ist m. W. Uc de S. Circ XIX, wo grans v- 43) mit pans (v. 44) und vaijs (v. 47 1 im Reim steht, dos = dous 6, 20 : > «Ebenso ist die Form dos für dous (statt lgs. doutz) lat. dulcem durch den Reim (Peire Cardenal) gesichert". Erdmannsdörfer, Reimwörterbuch S. 5.

Was die Sprache des Dichters anbelangt, so sind folgende Formen erwähnenswert:

dir 6,14, 32 dire 10,34

far 13,4, 14,22 faire 9,46, 11,7, 74

remir /. sg. prs. ind. 6,23, 31 remire /. sg. prs. ind. 10.31

plai 3. sg. prs. ind: 10, i«- platz 1,33, 3,59, 6,34, 8,16,

12,6, 28, 39, Ab, 13,8, 61,

14,15 martir 6,32, martire 10,32

talan 7,24, 56 talen(s) 14, 12

desperar 5(?),4i22 desesperar 10,2423

es 2. pl. prs. ind. steht 14, 62 im Reim mit -qs. Nach der Orthographie der Stimmingsehen Bertran de Born-Aus- gabe müßte die Form etz lauten. Da Cairels Reime auf -atz einwandsfrei sind (andere Reime auf s oder tz existie-

21. (n) „Mundartlich festgehalten, i&pezielil in der Provence und auf dem rechten Rhöneufer bis nach Montpellier", Erdmaninsdörfer, Reimwörterbuch, Seite 13.

22. Aber 5 (?), 38 desesper 1. sg. prs. ind,

23. desespera-tz 3, 65; 6, 43; 14, 30.

65

ren leider nicht), so wird man wohl annehmen können, daß es sich um eine dichterische Freiheit handelt.

var s 5 (?), 12 im Reime mit -ars. Ich habe trotzdem 9, 25 mit Stimmung v a i r geschrieben, da Doppelformen sehr wohl möglich sind und die Attribution von Nr. 5 zweifel- haft ist.

1 o i a 2, 28. Ein ähnlicher Fall wie der vorher- gehende. Die Form sollte 1 o g a heißen, steht aber im Reim mit Wörtern auf -oia. Auch hier handelt es sich m. E. um eine Doppel form.

vei 12, 2 als 3. sg. prs. ind. von vezer findet sich zwar nicht im Reim und ist nur in Hsehr. A überliefert, doch ist die Form bei Cairels Landsmann und Zeitgenossen Aimeric von Sarlat im Reim belegt, so daß wir sie wohl als Form der heimischen Mundart auffassen dürfen; s. Anm. zu 12, 2.

bar 14, 48. Vokativ,

v e n 4, 1( das zur Wiederherstellung des Binnenreims eingesetzt werden muß, ist doch wohl als Flexionsver- letzung anzusehen?

color 10, 31 scheint Masculinum zu «ein.

Stilistik^. I. Figuren.

Sie stehen als formale Kunstrnittel in engem Zusam- menhange mit der Metrik. Oft wird man sich die Frage vorlegen müssen, ob man wirklich für primäres Streben nach kunstvollem Ausdruck eine Figur ansehen kann, die möglicherweise einem Zufall ihrten Ursprung verdankt oder das sekunddäre Ergebnis eines komplizierten Metrums ist. Gerade bei einem so eifrigen und gewandten ,,V.ersschmied" wie Elias Cairel wird dies nur zu oft der Fall sein. Es wird aber auch andererseits oft ein überkünstliches Metrum der Entfaltung stilistischer Feinheiten hinderlich sein.

Beides trifft besonders bei den Alliterationen zu. Bei der häufigen Verwendung des Binnenreims z. B. wird Rücksicht auf das Reimwort oft der Sprache geläufige Alliterationen unterdrückt haben und von dien vorhandenen wird gar manche ein Produkt des Zufalls sein.

1. Literatur: R. Volkmann, Die Rhetorik der Griechen und: Rö- mer, Leipzig 1885 *, S. 415 ff. W. Wackernagel (ed. Sicher), Poetik, Rhetorik und SÄstik, Haie 1873, S. 368 ff. H. Binet, Le Style de la Lyrique Courtoiise en France aux XII e et XIII e SiecTes, Paris 1891. C. Appel, Gui von Cambrai, Halle 1907, S. XLVII ff. Eine isehir große Menge weiterer Literatur bietet: W. Eckert, De figuarum irf Tili Livd ab urbe condiita Li bris usu, Diss. Breslau 1911.

*- m -

1. Alliteration.2

Die nachfolgende Uebersicht über das Vollkommen von Alliteration in Cairels Gedichten macht keinen An- spruch auf Vollständigkeit. Bewüßt scheint er sie m. E. kaum als Kunstmittel zu verwenden. Den Begriff der Alli- teration so weit auszudehnen, wie Scholz (L o.) es tut, er- schien mir nicht ratsam.

Nr. 1: per pagatz 12; cor-oars 31. Nr. 2: fuoMia-fk>rs 2; voia.de valor 20 21. Nr. 3: futolha-flors 4. Nr. 4: totz ietmps 27; vers vai t'en tost 37. Nr. 5 (?): co»bre-claiu 27; fallisa fes-forfaitz 42. Nr. 6: per um: pauq pert 15; per um pauic (-pren) 27; vai t'en tost e viat'z 46. Nr. 7: sen e saber 10; faria-folor 25; per paor 55. Nr. 8: joii-joven 6; fis-fa:lhimen 39. Nr. 9: jjranrgaiudi 17; gran ergart 31; qui s cuja calfar 34. Nr. 11: miete mielihs 31. Nr. \2: joi-joios 5; fiak femhedior 25; joi jauzion 43. Nr. 13: per pagatz 6; vai viatz 45; cor coimpratz 68. Nr. 14: yaler valensa 71.

Die Ausbeute an Alliterationen ist, wie man sieht, ge- ring, denn ich habe ihre Zahl noch mit einem recht dehn- barem Maßstabe gemessen. Hinzufügen könnte man noch einige Stellen, denen eine gewisse Klangwirkung nicht abzusprechen ist, z. B.:

Nr. 1: ans am aitan 6; cel-plius-serv-piliuis-pert 11; sotilimen trai e desien-travers 15; vailiors oonvensa 21; mainquies-maiii-Monferiraitz 46. Nr. 2: pescaire-ploimiba-pren-peiiisson/ 33—35. Nr. 3: Desonors-daTis 25. Nr. 5: anz-ades-afars 13. Nr. 6: audh-auzeililos 3. Nr. 8: vetz- vist. 11. Nr. 9: l,aissat-so-sos 6; mtarques-moinge 9; mais-amatz-Mon^ ferrat 13. Nr. 10: foLors m'atrais fals'amor 5; savai-sai 17; desesperar- deuria 24. Nr. 11: senihor servir 5; paor enitrepres 18; besonn

2. M. Scholz, Die Alliteration k\ der aprov. Lyrik. Ztschr. 37. 385 ff.; 38, 76 ff.; 193 ff., 311 ff. Dort weitere Literatur.

- 68

bau zaire 47. Nr. 12: Si com eel qme sos compamhos 1; rir'-re 2. Nr. 13: So-sol 1; soven sospirar 2; don>-dominieiiar 16. Nr. 14: trai t'enain 31; parkr pert 60—61.

2. Onomatopöie.

Als solche möchte ich nur 1, 3:

lo vens romp'e degol'e part

ansehen.

3. Etymologische Figuren.3

Sie, sowie die mit ihnen verwandten Figuren wie Ad- nominaiio, Polyptoton etc. stehen in enger Beziehung zur Alliteration einerseits und andererseits wird man gewissen Fällen der im metrischen Abschnitt behandelten Strophen- verknüpfung eine Art Verwandtschaft nicht absprechen können. Ich fasse im folgenden alle Begriffe ziemlich weit, da mir einige Wendungen, die man streng genommen nicht hinzurechnen dürfte , immerhin erwähnensweirt scheinen :

fai vakr vailemsa 14, ; ab teits l'engian dorn ieu fuii enganatz 1, ; ans que 1 jocs sia jogatz 1, ; qiu'ieu non ames, si ios amatz 3, . ; e sii pren so qu'ets luzen, . . . penra 'lo fuoc ardien 4,

Im Anschluß hieran sei noch hingewiesen auf die

4. Epiphora (Refrain). S. Metrik Seite 61.

5. Pleonasmus und Tautologie.

Die meisten der hier aufgeführten Wendungen dürften Gemeingut der provenz. Lyrik sein:

3. F. Leiffholdrt, Etymologische Figuren im Roma mischen. Er- langen 1884.

- 69 -

genh et art 1, 2, 16 (engenh), 23, 9, 51; joi e solate 1, 5, 44, 8, jj 12; 7 etc. (Refrain), 13, , ', 14, -. iciauiaiis e part 1, ; traii e desten 1, ;

1. -,» Oo o XU XO

valor . . . e pretz 1, ; pretz vaden 6, , 8, ; phis vailens . . .'e plus prezatz 14, ; Valens e prezatz 13, ; mal* e perversa 1, ; quiil

lo X4 uO

ni brai 1, ; .saufe ttresca 2, , , ; .areits e paia 2, ; lost e corren

2, , 4, ; tost e viatz 6, ; pretz e bolbams 3, ; cauisiit e pres 3, 4ß; guiizerdos e merces 5, _; guieritz et enders 5, ,.; 5, -_■, und 5, _Q ft

O lo dU dl öö

s. Polysyndeton; merce e causiimen 5, , 6, ., 14, - ; fachs e dliohs 4, ., 6, ; no 1h aus dir mon cor ni descohrir 6, ; pena e martir 6, ; iina beuitatz 6, ; sen e saber 1, ; cor ni talen 7, ; baissar e cazer 8, „; comandatz et autreiatz 8, oc : biais ni cambi 8, ', de-

2 25 26 27

■slirerth . . . e üiia 8, on; itomdiut . . . raiire 9, OQ; vaiir e pic 9, ; mentau ni die 9, ; dir e retraiire 9, ; sors e naiis 10, ; tirai . . . e baüamsa 10, 3 -'; oomoisc e sai 10, ; martire, dolor nii afan 10, ; bruit e masan 12, ; ise gic e-s reore 12, ; lis e leialis ses engan 12, ; joi janziiom 12, .

Ich füge bei dieser Gelegenheit noch einige stereotype wenn auch nicht pleonastische Verbindungen hinzu, die gleichfalls Gemeingut der Trobadordichtung sind:

Jarq e cortes 3, ; cortes e pros 6, ; onrar e grazir 6, ; joi e

can 1, ., . 8. (stolatiz s. o.), can e m'asolatz 3, , : alegrar e cantar

*) 4 4 1 XX

3 4 10 12

°' 19 20' % 2> ™' 27 28' '8*

Vgl. ferner Polysyndeton,

6. Epitheton ornans.

Ich beschränke mich auf einiige typische Beispiele, die z. T. auch als Tautologie gelten könnten:

fin' a m o r (s) 1, , , 2, ; d omm a : vermielih' e Iresca % ; gaia

3, ; pros % ; prezan 7, ; ir ,i c s savais 2, ; pervers 1 a u z e -n -

*3U Xu Xo XT

gador 1, 'j bona fes 10, lrt; neu : freida 1l ; blianca 2, .

ob o7 10 , 6 o

7. Polysyndeton und Anapher. Eine wirkliche Verwendung als Kunstmittel möchte

- 70 -.

ich eher verneinten als bejahen. Als (derartige Figuren ließen sich allenfalls auffassen:

e ges per so de fin' amor no m part, nii ges mo m pliamfh del mal qu'ieu n'ai sofert, mi de l'afan 1, ü; mi fei alegrar e m fai camtar e vol qu'ieu sia leials servire 10, 0-ff.; e m temh per sieu en tot bo covinen, e ja non vuolih -risse r diel sieu voler 5, .

Ferner ist hier wohl der Ort zur Erwähnung der zahlreichen z. T. pleonastischen Aufzählungen, bei denen aber das Bindewort wohl meist aus Rücksicht auf das Metrum wie- derholt ist oder eine Folge des lat. Gebraucheis sein kann:

vailors e jo.Ls n pratz 1, ' ; genial cors gaii e pliazen e divers eonitra /otz mals 1, i)!( •; la kiollh' e 1 flors e 1 doiutz cans 3, ; empenlher et oncaussar et assegre 4, , ; et es saubutz e proatz et espars et en maiutz luecs 'lo sieus bos pretz retraeihs 5, ; demam ni tenemen mi part ni drech mi respech nii poder 5, ; i&os fis amics, vers et hu~

maus e clars, ferms e segurs e «ikmi de re avars e m son .... 5, ff.; lo gai .solatz, mi Is gaps, mi 1 ris, m 1 bei aiciultoimen 6, ; bei

cors grail' e sotil, blanc e gras, soau, gent e dos, sas aris iluzens . - . .; e son blanc fron e ls eilhs voutz e delgatz, e ls uohls, e * 31 nias, e Ha boca rizen 6, ff. (Epitheta ornantia!); vailor, joi1 e pretz e sen e saiber 7, cort e don e pretz e galaiuibia, joi e joven, vatlor e cortiesiia 8, - ; rir' e jogar e drudaria 10, ; li oomt'e L rei e ■'! ibaro e-1 inarques 11, ; Arabit e Persan, Cordin e Türe 11, ; mam domm' es bei' e gal

e pros e tails que . . . 12, i>r; pretz et omransa, cort e don e dorn*- neiar e d'amiar par . . . 13, ff.; jois e solatz e totas bontatz 13, .

8. Asyndeton, Ellipse und Klimax

findet sich bei Cairel nicht, es sei denn, daß man 13, 6-8: quar ges ino m tenh per pagatz del segle que n'es passatz, mi aquest no m platz

als Klimax auffaßt.

71

9. Periphrase.

Als Umschreibungen sind m. E. folgende Wendungen anzusehen:

liem que m <fos del respondire diversa 1, ; si inet ab dominas en

28

tresca 2, und 2, - ähnlich (oder ist dies Metapher?); pres de mii una lega 2, ; pero no m'escai qu'ieu mi met en plai de lieis . . . 3, ff.; ges escazer no us pot gratis eretatz si miuoir 8-, ; lieis on Dieus volc compl.ir totas beutatz, per qu'om la deu grazir, tTemperai- rilz Yolen qu . . . a -1 luoc don lo Manuels emiperaire 11, ff.

10. Hyperbel.

Sie findet sich meist 602771 Lobe der Dame:

que - 1 genser es del mon ses totz gabars 5, ; de ,1a beutat ques en iliieis solainen aurion pro d'autras pros dominas cen 5, ff.; quar ges en tan non es la soa pars quan cobre oels de terra ni clau mars, nii tiiuls bos pretz non l'es en re sofraahs 5, ff. (Nr. 5 ist aber der T&xt zweifelhafter Attriibution!); valetz mais de tot lo remanen ö, ; ai mentit qu'eu non crei quel mon sia domna tarn pros etc. 7, ; de

totas la beilaiire 9, . ; aiillh . . . qiue non1 a par die cortesia 10, ;

4o l 1 25 26

jois e solatz e totas bontatz van doblan e beutatz el sieu cors prezan 13. ff.; vos es la genser que anc nasques 14, nn öo ff.

ba * 62 Da

271 Bezug auf Gönner:

la gens de sai dizom quel va'l mai que negius 3, 53^.J Par

non a mi non fo natz 13.

54

Sterben aus Liebeskummer:

s'ieu de lieis perdia 1 gai solatz . . . non viuri' ieu puois jorn mon escien, 6, ff.; s'ieu niuoir per lieis desiran 14, 0 desgl. 14, ; ges escazer no us pot grans eretatz si miuoir . . . 8, .

Abgesehen hiervon ist jedoch die Verwendung der Hyper- bel ziemlich selten, und es dürfte nicht angängig sein, mit

- 72

Schultz-Gora4 von einem ,, Hyperbaton" Cairels zu spre- chen. Ich Hnde nur noch folgende hyperbelhafte Aus- drücke:

s'ieu pogues far la mieltat de so qu'ieiu pes 3, ; plus <ioblies

foriaohis 5, ; e vos mii faitz pieiitz per un cen 8, OQ; negus no sap tan de gen parier ... ll, 2ß-26.

11. Ironie.

Qu'el et amors m'an vailgut engailmen 4, ; marques, lir monge de Cloniic vuioilih qme laason de vos capdel o isiatz abbas de Gitstel 11, fi; gran gauch agrom tu.it vostr' amic,, quan aguetz laissada la peäi dorn folretz lia Gap' el mantel 9, iff. (vgl. Arnim.); ben est) pagatz 14, .

12. Antithese.

E oel que plus la iserv e plus ii per;t 1, ; servnir en plan nii en desert

1, ; pot me far ric o diecebre 2, ; isoven cai e lev' e tomba 2, ;

quar mia.imtais vetz aii viist gran sen nozer et aiiudar grans foudiatz 8.

; tan lonhatz ikmi stui qu'ab lieis no isla mos icoirs 8, ; adonos

la vei, mas i.l:h no m pot vezer 8, ; trop suii isobraitz, mias enquer

ÖD

vensenia . . . 8, . ; que dona gauch ail plus eniic 9, ; maint cava'Mer que serian coart, son per liiieis pros e vialen e galh&rit 9, ; e non

ouch ges de servizi perdut muls ;hom agues guizerdo tan plazen 10, ; don viu jauzens et en greu penedensia 14, .

13. Apostrophe. Sie kommt natürlich am häufigsten in der letzten Strophe oder im Geleit vor. Ich beschränke mich auf An- gabe der betreffenden Stellen: 1, 35; 2 32; 3, 49; 5, 43; 6, 34, 41» 46» 5o » 8 Str. 3; 9 (Sirventes) von Str. 2 ab ständige An- rede; 11, 41, 49', 1J, 23 i4f 4Qf 68' 1^» 53 "'

14. Interjektion. Zum Teil kommen dieselben Stellen in Betracht: 1, 3B;

325 27» 9'2ott» 24» 32» 40? Vl^' aUCn :

4. Lit. Bl. 1906, Sp. 288 Anm.

73

15. Frage.

Rhetorische Frage verwendet Cairel nicht, doch seien hier die Selbstgespräche 5, 38 ff. und 14, 21 ff. erwähnt, die be- sonders in No. 14 große Lebhaftigkeit in Bezug auf Frage und Antwort (Interjektionen!) zeigen.

II. Tropen.

Die Darstellung des Sinnlich-Anschaulichen bei Cairel verrät, entschieden eine gewisse Begabung. Er zeigt Ge- schick, Vielseitigkeit und relative Originalität in der Ver- wendung von Tropen; seine Vergleiche, Bilder usw. er- wecken meist klare visuelle Vorstellungen, sind „anschau- lich" im prägnantesten Sinne.

1. Bildliche Vorstellungen.

Diese erwecken z. B. die Jahreszeiteneingänge: Früh- lingsbild Nr. 3 und 6, Herbstbild Nr. 1 und 9, Winterbild Nr. 2. Erinnert sei auch an die lebhafte Schilderung seiner Herrin 6, 19 ff., bei der er sich selbst so begeistert, daß er sie greifbar vor sich sieht, seine Beschreibung ab- bricht und ausruft: ,,Ach, beinahe umarme ich sie vor aller Augen!" Daß er seine Herrin im Geiste vor sich sieht, ist überhaupt nichts Seltenes: 1, 10 ff. erscheint sie ihm im Traum. Mag er auch noch so weit entfernt sein, sein Herz weilt bei der Auserwählten, 8, 30, und oft gerät er in tiefes Sinnen, in selige Verzückung: ,,Da sehe ich sie, aber sie kann mich nicht sehen", ib. v. 33 ff.

2. Vergleiche.

Ich bespreche hier nur solche Vergleiche, die syntak- tisch (durch Partikeln usw.) ausdrücklich gekennzeichnet sind. - Er vergleicht sich selbst mit einem Laienbru- der 1, 22 oder mit einem Kinde, das an der Kerze Gefallen fände, sich aber beim Spiel an ihr verbrenne 1, 33-34 und lebt in Gedanken an die Gunst, die ihm seine

74

Herrin schenken könnte, glücklicher (eig. reicher) als der König von Persien 1, 42. Seine Herrin vergleicht er mit einer Taube 2,e und behauptet, sie besitze dieselbe Wundergabe wie der Smaragd im Ringe 9, 43, der dem Verdrossensten Freude zu schenken vermag. Sie ist ferner der Fischer, der ihn, den Fisch, mit der Angel fängt 2, ... ff.; ihr Haar ist leuchtender als Gold 6, 24. Die Liebe vergleicht er mit einer G 1 a s s c h a 1 e , denn beide seien leicht zerbrechlich 2, 25 ff. Die Tüchtigkeit des Markgrafen von Massa ähnelt in Bezug auf Wert der Kostbarkeit des Pfeffers 2, 56. Dem Markgrafen von Montf errat endlich wirft er Unähnlichkeit mit dem tapferen Robert G u i s - card vor, meint, er gleiche an Feigheit und Ehrlosigkeit einem Bastard und erklärt, Kaiser Heinrichs Verhalten habe Aehnlichkeit mit der feigen Hinterlist eines D a r i u » (Nr. 9).

3. Metapher.

Hierher rechne ich jegliche Art eines bildlichen Aus- drucks. Zu vermuten ist vielleicht eine Metapher in 1, 7:

com fatz est-iu qtuan par la flors enversa

(vgl. Anm. zu 1,7). Es finden sich ferner folgende Me- taphern:

vis lieis perir que m inen et per tra versa 1, 14; la bela que m'art lo cor e 1 cors 1, . 9; q-ue : s trag' enam ans que : 1 jocs sia jogatz e fass' oimais de son pezonet fersa 1, ; e lenlh domina trop per pega,,

que sofre, qu'en lieis entenda, ni camja pin per genebre 2, ff.; gar- dal>z, si - lh deu saber pebre! 2, ; cansos, drogomans seras 3, 49 ff. lo valen volon empenher etc. 4, 7ff.; ai la razitz tornies eima die joven sobresaben 4, 1Q ff.; amor persegre 4J]4; mesitier m'agira lo joirn qu'ieu perdiei l'escrima . . . 4, ; la dotz la pareis agra on plus

sotiilmen s'aprima 4, o 22; qui Farden fuoc pot esteniher d'amor . . . 4, , ; qu'el ten ma persona magra sd que non pot mordre lima 4,

; quan aguetz laissada le pel don folretz Uta cap* el mantel 9, lg lfl;

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li baron ... an contra 1 cel trach un cairel que lor tornara sul capel 9, ; qu'al cor ,mi sors e : m nais una fontana etc. 10, ; beutatz

s'espan 10, „,; is'ieu frohes sobre mar un pon . . . 12, ; qu'el a l'usatge de la ion don man veii negu fadion 12, -»\4-; vei la balansa de ricof isoven levar e foaissar 13, ff.; (gardar dem totz honi senaitz . . . que no •! prenda latz 13, ff.; si cor non compratz 13, . Ferner dürfte wohl hierher gehören die Bezeichnung der Daime als ric luoc 2, .

Die Bedeutung aller dieser 'bildlichen Ausdrücke ist 'da. wo es notwendig war, in den betreffenden Anmerkungen behandelt worden.

4. Synekdoche und Metonymie

Diese lassen sich nur spärlich nachweisen. Ich sehe als solche an:

«nais amatz dos buoius et un araire a Moiniferrat, qualhors estrren> peraire 9, ; qui ool i a si * s gairt! 9, ; de vostr'onor perdretz

lo tertz ie 1 quart 9, ; lo reiesime de Salioimic »es ipeirier e ses man ganel pogratz aver ... 9, ff. „Sos eors" 10, , 12, , 13, __ an Stelle des Personiailpronamems wäre woiM ebenfalls hier zu nennen.

5. Allusio.

9, ff.: „Marques Li monge de Qoniic vuolih que ki&son de vos capdel o siatz aibas de GisitetL" Anspielung aiuf die Klostergründiun- gen Wilhelms von Momferrat; 9, : „que 1 sotorenoni gie de Mon- ferrat e pren cel de sa maire" Anspielung auf die Feigheit Wil- helms. Lavaud5 will hierin ein Wortspiel „Savoy-savai" sehen. Aus welchem Hauise die erste Gaittin des Boniifaz von Moni errat stammte, ist mach den neuesten Untersuchungen ungewiß, vgl. Lehen smachriiohten S. 23, Anm. 52.

5. Lou Bournat, S. 406.

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6. Personification. Es wird gleichsam personifiziert:

amors 1, , 2, , (L} 8, Str. 3, 13, Str. 3; merces 10* ■■ 14, ' ; cansimens e merces 14, „. ; humilitatz 8, : Herz und; Muind

20 73 74 7 36

2,45; das Lied 2, 4ß, 3, 49, 4, 37, 6, 4ß.

Der Gebrauch der Allegorie, in deren Gebiet ja die Per- sonification eigentlich fällt, ist Cairel fremd.

7. Sprichwörter.

„E digas Jii qu'anc a voilpiilih dormen / non entiret greife en boca ni en den" 6, ', „qui *s cuija oalfar s'art" 9, ; „apres lo mal ve

lo bes ades!" 14, . Als sprichwörtliche Redensarten oder Sen-

tenzen wird man ferner ansprechen (können: „si la razitz tornes cima" 4, ; „non a sen qui voll atenher / liaii o,n non pot aconsegre" 4, - (vg<l. hierzu „mon cor trop foil quar caissa / iso qu'iieu non crei qu acon- ^ega" 2, - ); „ab gen servii-r ad vist maintz aturs Urachs" (?) 5, ; „per serviir bo senhor humilmen / aii viiist paubre venir nie e miauen" o, , .; „anc mais fiilhs de liouipart / n o s nies en cros a guiza de

4 4 4.) /

rainart" 9, ; „per mul afar / desesperar hom no : s deuria 10, .

Hier wird man über den Wert mancher Redensarten be- rechtigte Zweifel hegen, obgleich sie selbst, oder Sentenzen mit ähnlichem Gedankeninhalt in die Sammlungen von Cnyrim,; und Peretz7 aufgenommen sind. 2, 24

„camja pin per genebre"

wird Rayn. Lex. Rom. III 456 als ,,Loc. prov." bezeichnet. Ich kann eine solche nirgends finden.8

6. Spnichw., sprichwörtl. (Redensarten und Sentenzen bei den apr. Lyrikern. Marburg 1888; Aiiisg. »und Abhandlungen 71.

7. Apr. Sprichwörter m. einem kurzen Hinblick auf den mhd. Freidank. Rom. Forsch. III (1887), 415 ff.

8. Fälschlich wird Cairel von Gnyrim unter Nr. 539 zitiert.

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Ein Zitat werden wir in 8, 34:

,,,quie obliidaitz me kis did tot cazer"

zu sehen haben (vgl. Anm,), Vergl. ferner auch 11, 48 nebst Anm.

Nachdem wir nun die Technik unseres Trobadors einer Prüfung unterzogen haben, ist es nicht mehr als recht und billig, eine Beurteilung seines Könnens, seiner Leistungen zu versuchen. Ein zeitgenössisches Urteil ist uns leider nicht überkommen und die einzige Strophe, die Mattre Er- mengau im Breviari d'Amor zitiert (Nr. 8, Str. 2), schreibt er dem Mönch von Montaudon zu. Wir können also daraus schließen, daß Elias Cairel nicht zu den allgemein bekann- ten, berühmten und beliebten Dichtern gehörte, eine unbe- dingte Notwendigkeit für eine solche Schlußfolgerung liegt aber nicht vor, denn es kann auch Zufall sein, daß uns die Ueberlieferung in diesem Falle so ganz im Stich läßt. La- vand9 bemerkt hierzu: ,,Ses lointains voy'ages, ses brillantes relations demontrent qu'il etait assez goüte". Gerade dies Wanderleben ist es vielleicht, das die Ueberlieferung un- günstig beeinflußt hat.

Eine Kritik der Dichtung Cairels bieten uns jedoch die beiden Lebensnachrichten, und wir müssen diese imiTerhin einer Prüfung unterziehen, Waren doch die Verfasser Leute, die der Zeit Cairels so unendlich viel näher standen als wir, und von denen Andraud zutreffend sagt:10 ,,Quod si nonnulla horum iudieiorum leviora et parum subtilia vi- dentur, memineriimus tarnen haec a scriptoribus facta esse, quibus lyricorum opera magis nota erant quam nobis sunt". Leider widersprechen sich nun die beiden Vidas durch- aus. Der Verfasser der Vida AIK erklärt: „Mout cantava mal e mal trobava e mal viulaua e pieitz parlaua, mas ben

9. R. Lavaud, Les Trois Troubadours de Sarlait, S. 392.

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escriuia motz e sos" '. In Vida H heißt es dagegen: „Setup be letrds e fo molt sotils en trobw et en tot qttan et volc far ni dire" . „Une biographie . . .", sagt Stronski11 von letzterer, „composee semble-t-il pour refuiter Vaptne, celle de AIK." Das kann natürlich nicht der Fall sein, aber es erscheint mir sehr fraglich, ob wir dem Urteil der Vidas überhaupt irgend welchen Wert beimessen dürfen. Was die tatsächlichen Daten anbelangt, so ist bereits S. 1 ff. er- örtert worden, daß AIK der Vorzug zu geben ist. Wie steht es nun aber mit dem Urteil der Vida AIK?

Lavaud (1. c.) äußert sich folgendermaßen: ,,Aussi ad- mettrions-nous volontiers ou que les mots ,,il trouvait mal" de la premiere biographie y ont ete introduits apres coup, ou qu'ils emanent -d'un jugement preveriu et partial". Er trifft insofern das Richtige, als es sich tatsächlich um eine Beigabe, um rhetorische Floskeln zu handeln scheint, heißt es doch von dem Marques de Lancia bei Uc de Saint-Circ (S. de Grave et Jeanroy) XIX 13 ff.: „Mal acoill e parla e sona I E mal manja e beu e dona / E mal viu . . ." und in der Anm. fügt der Herausgeber eine zweite Stelle, die sich auf denselben Markgrafen bezieht, hinzu, die von Guillem de la Tor stammt: „Qui mal fai e mal ditz e mal met e mal dona e mal Joga e mal ri e mal parla e pimtz sona'' (Un Sirventes farai v. 2 3, Studi. III. Nr. 568). Hier ist die Aehnlichkeit noch auffallender.

Für die Beurteilung des lobenden Abschlusses des Urteils hängt viel davon ab, welchen Sinn man dem Verbum escriure beilegt. Handelt es sich um die Schreibkunst an und für sich oder kann escriure auch die Bedeutung ,, verfassen" haben? Die erstere Auf-

10. P. Andoud, Quae iudiicia de 1 uteri s fecerimt Provinciiales. Pariser These, 1902, S. 37.

U. Elias de Barjols, S. XXV.

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fassung vertritt Gröber12; er erklärt (S. 340) Elias Cairel sei ein , »Schreibkünstler" gewesen, was bei einem Wappen- zeichner von Beruf nicht erstaunlich sei. Wir stünden als- dann vor der Tatsache, daß der Schreiber der Vida die Dichtkunst Cairels völlig verurteilt (vielleicht, weil er Geg- ner des trobar clus war!), seine technischen Fertigkeiten dagegen lobt. Es fragt sich aber, ob die mittelalterliche Sprache nicht auch den zweiten Sinn von scribere kannte, wie er bereits im Latein vorhanden und gebräuchlich war. Ich möchte es doch für unwahrscheinlich halten, daß diese Bedeutung untergegangen wäre; da Levy, S. W. III, 197 ff. ein ,, schreiben = beschreiben" belegt, scheint mir dies nicht der Fall zu sein. Da ich jedoch keinen positiven Beleg beibringen kann, muß ich mich auf eine Erwähnung dieser immerhin möglichen Auffassung beschränken und bringe meine Zweifel nur in der etwas freien Uebersetzung „er schrieb gut Verse und Melodien" zum Ausdruck, was nach Gröber aber bedeuten müßte, ,,er schrieb gut Worte und Noten". Ja, sollte man aber da nicht letras für motz er- warten, und kann man sos auf die Noten beziehen? Das setzte doch wieder einen sehr freien Gebrauch von so vor- aus! Ich wage es daher nicht, eine definitive Entscheidung zu treffen, und somit ist auch eine Erklärung des merkwür- digen Urteils der Vida AIK so gut wie unimöglich. Am wahrscheinlichsten ist doch wohl, daß der Schreiber seiner Phantasie freien Lauf ließ wie mir die oben erwähnten ähnlichen Belege anzudeuten scheinen und das Urteil gar keinen Wert hat. Was ferner die übertriebenen Lobpreisungen der Vida H anbetrifft, so werden wir es mit einem alltäglichen Schreiberpanegyrikus zu tun haben. Die Urteile der Lebensnachrichten sind für uns also bei Cairel wertlos, und wir müssen versuchen, uns selbst

12. Ueber die Liedersamm'luinigen der Troubadours, Böhmer, Rom. Studien II (1877) S. 339 ff.

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eine Meinung zu bilden. Cairel bewegt sich mit seinen Liedern durchaus in den Bahnen der zeitgenössischen Tro badorlyrik, ihre Stereotypien Anschauungen und Wendun- gen sind überall bei ihm anzutreffen. Daneben findet sich aber manches Originelle; lebhafte, anschauliche Schilde- rungen; mancher Zug, der eine kraftvolle, individuelle und rccht intelligente Persönlichkeit verrät.

Unsere Untersuchung hat uns bereits durch peinliche Analyse in die technischen Eigentümlichkeiten und Fertig- keiten Cairels eingeführt; ich fasse hier noch einmal in ra- schem Fluge einige charakteristische Züge ins Auge. Auf sein Schilderungstalent ist bereits hingewiesen worden (IS. 73), ich erinnere nur noch einmal an die recht gelungenen Jah- reszeiteneingänge, an den drolligen und originellen Ver- gleich mit dem Fischlein, als das ihn, den Dichter, sein«» Herrin unbarmherzig am Angelhaken zappeln läßt (iNr. 2) ; lebhaft schildert er die Herrin, so daß er ,, Furcht hat zu versagen" und schließlich ausruft: ,, Beinahe umarme ich sie vor allen Augen" (Nr. 6). Wir sieben die Herrin vor uns, wie sie ihm den Arm um den Hals schlingt, ihm endlich Liebeslohn gewährt (Nr. 10). Wir begreifen, daß er sich ein anderes Mal eine Brücke übers Meer wünscht, um sie zu sehen (Nr. 12).

Seine bildlichen Ausdrücke sind kräftig und prägnant. Seine Liebessehnsucht läßt ihn handeln, wie ein Kind, das mit der Kerze spielt und sich verbrennt (Nr. 1). Der Aus- ruf ,,es soll ihm nach Pfeffer schmecken (Nr. 2)" läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und ist durchaus originell. Recht drastisch erklärt er ferner, daß er so ab- gemagert sei, daß keine Feile mehr Fleisch oder Fett von ihm abbekäme (Nr. 4) ein Bild, das, falls es nicht seine ureigenste Erfindung ist, doch sehr geschickt verwendet ist. Wie wirkungsvoll ist z. B. auch der an den Markgrafen von Montf errat gerichtete Zuruf: „Mehr liebt Ihr zwei Ochsen und einen Pflug in Monf errat als wo anders Kaiser zu sein!" (Nr, 9). Eine bunte Fülle von prägnanten Bil-

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dem steigt so vor uns auf, die nicht den Eindruck des Ge- suchten oder Gewollten machen, sondern sich leicht und schmiegsam dem Rahmen des Ganzen einfügen.

Man unterziehe doch auch nur einmal seine Vergleiche im einzelnen einer Prüfung: mit einem Mindestmaß von Worten wird der rechte Eindruck hervorgezaubert. Unbe- holfen ist eigentlich nur Nr. 9, Str. 6, der Vergleich der Herrin mit dem Simaragd. Jene Treffsicherheit in Wahl und Verwendung der Vergleiche ist ein Beweis guter Be- gabung, einer mehr als Durehschnitts-Intelligfcnz.

Und großes Geschick zeigt Elias Cairel auch in der Handhabung der ,, schweren Dichtart" man denke nur an Nr. 1, 2, 4 ,9, 13, ja auch an Nr. 11. Letzteres ist in seinen flotten, glatten Versen, die die Vorzüge einer Kreuzfahrt ins rechte Licht stellen sollen, ein Meisterstück der Bered- samkeit. Weniger gelungen scheint mir dagegen der Des- cort Nr. 10 (bei dem aber wohl die musikalische Seite die Hauptsache war) , und auch gewisse Partien von Nr. 4 halte ich für allzu „schwer und dunkel".

Die Geschmeidigkeit von Caifels Versen nimmt ihnen dabei nichts von ihrer Kraft, fügt sich doch ein so urwüchsiges Sprichwort wie 6, 53 54 „anc ma(s a volpilh dornten mm entret gnelhs en boca ni en den4 mit Leichtigkeit dem Verse an. Bega- bung und Intelliglenz müssen sich bei unserem Trobador vereinigt haben, um aller jener Schwierigkeiten mit solcher Leichtigkeit Herr zu werden.

Alle diese Vorzüge Cairels zeigen sich wohl in Nr. 9 in ihrem besten Lichte: schwere Reime, glatte Verse, präg- nante Bilder, urwüchsiger und urkräftiger Ausdruck. Es widerstrebt mir, den Eindruck des Liedes durch eine Zer- gliederung zu zerstören die Eigenart des Dichters spricht hier von selbst eine deutliche Sprache. Sein energisches, sicheres Auftreten den Fürsten gegenüber zeugt von straf- fer Männlichkeit, von ruhigem Selbstbewußtsein; Verstand und Begabung müssen das Ihrige getan haben, um ihm zz

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tatkräftiger Selbstbehauptung zu verhelfen; ihm, dem bür- gerlichen Handwerker, öffneten seine Kunst und sein Talent an den Höfen der Großen Tür und Tor.

Entschieden zu bedauern ist es, daß Cairel nicht dien Spuren seines großen Landsmannes Bertram de Born ge- folgt ist und sich mehr dem politischen Sirventes gewidmet hat er würde (nach Nr. 9 zu urteilen) auf diesem Ge- biete vielleicht Bedeutenderes geleistet haben. So aber kommt er doch über gewisse Mittelmäßigkeit nicht hinaus. Was wir an ihm in erster Linie vermissen, ist trotz aller glänzenden, lebhaften Bilder die Wärme und Tiefe seines Liebesempfindens. Meist bleibt es doch bei leeren Worten, die uns an der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zweifeln las- sen. Und vielleicht nicht mit Unrecht, hat doch Elias gar oft für pron, d. h. für seinen Erwerb gesungen; das bekennt er selbst ganz offen in der Tenzone mit Isabella (7, Str. 2), und auch der Schluß von Nr. 4 und Nr. 12 lassen keinen Zweifel über die Ansichten und Hoffnungen des Dichters aufkommen, ganz abgesehen von weiteren Stellen (3, Str. 3, 8, Str. 1; 13, Str. 2), an denen er den Verfall der cortesia und largttetat beklagt.

Tadelnswert erscheint uns ferner die überkünstelte Form seiner Gedichte, eine gewisse (handwerksmäßige?) Manieriertheit des Strophenbaus; doch dürfen wir nicht vergessen, daß gerade diese Momente bei seinen Zeitge- nossen weniger ins Gewicht fallen mochten waren doch in diesem Punkte ihre Ansichten über ,, Kunst" durchaus geteilt. Die glatte Gewandtheit seiner Liebeslieder die Melodie mag auch das Ihrige beigetragen haben wird ihm unter den Zeitgenossen Ruf und Ansehen eines „ge- fälligen Talentes" verschafft haben, daneben aber wird seine scharfe Zunge, sein klarer Verstand für sie eine ge- fürchtete und nicht immer angenehme Beigabe gewesen sein.

W i r aber dürften unser Urteil doch noch zu farblos gestalten, wenn wir die schon öfter zitierten Worte von A.

r- 83 r-

Thomas (Grande Encyelopedie) gebrauchen: „Qu'il occupc une place honorable parmi les troiubadours secondaires", Elias Cairel nimmt unter den Trobadors zweiten Ranges eine sehr beachtenswerte Sonderstellung ein.

V ida.

1 A 50 fS. 143), 1 106, K 91, eine zweite Fassung H 31 (95); vgl. auch Barbieri ed. Tiraboschi = K 126 (Mussafia, Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Bd. 76, Wien 1874 S. 255 und 226.)

Gedruckt: Rochegude, Parnasse Occitanien, S. 108 (I); Raynouard, Choix V 140 (beide Fassungen) ; Mahn, Bio- graphien, S. 55 (dgl.) ; Chabaneau, Biographien S. 257 (dgl.) Buchon, Histoire des Conquetes . . . S. 447 (nach Ray- nouard) .

I. (AI). Helios Cairels si fo de Sarlat, dun bore de Peiregorc, et era obriers d'aur e d'argen e dessenhaire d'armas. E fetz se joglars et anet gran temps per lo mon; mas mout cantava mal e mal trobava e mal viulava e pieitz parlava, mas ben escrivia motz e sos, En Romania estet lonc temps, e quan s'en partic, el s'en tornet a Sarlat e lai moric.

II. (H)

Elias Carelz fo de Peiregorc, e saup be letras, e fo molt sotils en trobar et en tot quan el volc far ni dire. E serquet la maior part de terra habitada, e pel desdenlh qu'el avia dels baros e del segle, no fo tan grazitz com la soa obra valia.

1. Die benützten Hschr. sind durch den Druck giekennzeichnet.

I. 1. Peiregois A; laboraire (d'or) I. 2. desseignaires A; joglar I. 3 mas 1 fehlt I; mal cantava e mail trobava I. 4. mas ] e I. 5. e quamt el s'en parti si (s'en tornet) I. 6. e la eil moric I.

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Nr. L

A 50 (134 und Arch. 51, 246), C 232 (M G 186), Da 176—624, H 31 (96), I 106 bis, K 92, M 202, N 261—414 (anonym), R 32—274; Uc de Saint Circ G 86 (S. 266).

Gedruckt bei Lavaud (nach M G 186 unter gelegent- licher Benützung von A) S. 459 ff.

H an d Schriften Verhältnis : Maßgebend ist v. 47, durch den sich die Handschriften in A (allein richtige Ueberlieferung) + CDGH einerseits teilen, und andererseits Gruppe CDGH in C + DG + H. Beziehungen zwischen D und G zeigen sich auch v. 12 und 47, doch muß hervorgehoben werden, daß G im allgemeinen sonst eine stark von allen Hschr. abweichende Tradition bietet (z. B. v. 7, 11, 12). DG schließt sich v. 18, 19, 27 (und auch v. 47) H an, da v. 25 und 38 gegenüber v. 18, 19, 27, (47) zurückstehen müssen. Die Verse 25 und 38 aber lassen durchblicken, daß H in der Gruppe D G der Hschr. D näher steht als G. C verhält sich schwankend, oder sagen wir, ziemlich selbständig: v. 21, 44 steht es allein, v. 25 zu G, v. 18, 27, 47 zu D G, v, 7, 12, 19 dagegen zu A in Be- ziehung. Von letzterer Hschr. ist noch zu bemerken, daß sie abgesehen von offenbaren Schreibfehlern, außer v. 47 auch v. 18, 27, 36 allen anderen Hschr. gegenübersteht, von denen v. 36 eine falsche Lesart hat, v. 18 und 27 da- gegen Zweifel bestehen könnten, welche Lesart vorzuziehen ist. v. 27 gibt A den prägnanteren Ausdruck.

I. Abril ni mai non aten de far vers, que fin amors me dona * 1 genJh e Vart, si tot lo vens romp e degol' e part lo fuolh del ram: ges per so no m esper t, 5 ni ' m lais de can, de joi ni de solatz; ans am aitan la freida neu e 1 glatz, com fatz estiu, quan par la flors e n u e r s a.

v

I. 2. me] men D; geh) gieg D 3. rom G 6. aitam ü; neus G 7. fati] fair G; eversa H.

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II. Gran vil- tat fai cel que pren ad e n v e r s so qu'ab merce pot avcr ses maKa r t.

10 Mas fals' amor vei que causis e pari, e cel que plus la serv e plus i peirt. Pero del dan mi tengr'ieu per pagatz, s'ab eis lengan don ieu lui eniganatz, vis lieis perir que * m menet per trauers a.

III. 15 Sotil- men trai e desiten per travers fals'amistatz ab engenh et aib a r t , e ges per so de f in amor no m pari, ni ges wo ' m planh del mal qu'ieu n'ai sofert, ni de l'afan quan reimir las beutatz 20 e ' l cors prezan de lieis cui me isui datz, en cui valors e jois e pretz conversa,

IV. Humiil, verai, plus isofren d'un c o nv er s , ses tot mal genh e ses tota mal' a r t, m'a iretengut la bela don no - m p a r t;

25 per qu'es razos qu'ieu ,en is'amor acert,

pero no * lh man ni lh die mas volontatz mas en pensan com bos enamoratz, qu'ieu tem que - m fos del respondre d iv e r s a.

II. 8. uiiutat D. 9. merces D. 10. amors ACOH (iLav.). 11. car oel qe plus laseri epüms Hapert G. 12. tengr'ieu) ] tenigra D G; per ] ben G. 13. s'ab eis ] sefoeis G; üui ) suti G. 14. perir ] perit G; menet ] manet G.

III. 15. sotilsmen A 16. amistait D. 18. mi nom plaimg ies A; del mal qe naf't G. 10. (del afan Lav.); las ] sas A C. 20. prezan J pian G; me ] fehlt D. 21. prelz ] sens C (Lav.), tpfG.

IV. 23. toia ] taita G. 25. acert 1 macert C, me cert G. 26. no 11h ) uoil G; man ] mand A; vokitaz G. 27. bos ] hom DCGH (lav.). 28. fehlt G; qe tem DH; qe fos CH (Lav); duersa D.

87 ~

V. Gentil cors gai e plazen e divers 30 contra totz mals a la bela que mf a r t

lo cor el cors, e gies per so no * m p a r t de lieis servir en plan ni en desert; a lei d'enlan cui la candela platz, que s'art jogan, sui trop entalentatz. 35 Per Dieu, Amors, trop m'etz male perversa!

VI. Ges quil ni brai non enten de pervers lauzengador que son plen de mal'a r t,

qu'ieu vau sezer totz sols ad una part: adoncs die ieu tot mon cor descobert 40 a lieis cui blan, e quan me sui colgatz, la vei sonhan e la tenh en mos bratz. D'aquel joi viu plus rics que * 1 reis de Persa,

VII. AI rei prezan de Leon sui viratz, quair joi e can manten e gai solatz,

45 et anc no fetz contra valor traversa.

VIII. AI marques man de cui es Monferratz , que s trag' enan ans que 1 jocs sia jogatz e faiss'oimais «de son pezonet fersa.

V. 30. a ] ab G; (que m-art Lav.). 32. plaim ] pla C (Lav.). 34. jogam ] loginian (ign undeutl. korrig.) D; entallentatz ] entaÄ-aaiitaitiz H, en tail eniliatz C (Lav.), enamoraz G. 35. m'etz ] m'est D, m'es G H.

VI. 36. quill ] orit A; atent D; die (pervers ] ipdi'u'is G. 37. laoizen- jadors CO (Lav.); plen ] plein H, ples C; {mal Lav.) 38. qu'ieu ) q'iem H; tot sols C (Lav.), <tot isol1 IG. 40. e quam ] Era O, mas qiuan G. 42. rey (rei) CG.

VII. 43. Arei pian G; de Leon ] don lonm H; viratz ] viatiz C. 44. quar ] qe iH ; quair ioy® e chan e corteziall plaitz C (Lav.).

VIII. 45. et 1 nii (Lav.) G; Jos (korrig.) encontra pz traversa G. 46. momz-ferratz iH. 47. que traguenan HC (Lav.); ctiäz G; an« que sia iogatz (iogaz G) DG, anz q'el sia iogatiz H, ans que sia iugaiz C (Lav.). 48. peonot G, peouet C (Lav.); (ersa C

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U e b e r s e t z u n g.

I. Ich erwarte nicht April oder Mai, um ein Lied zu dichten, denn treue Liebe verleiht nur Geschick und Kunst, wenngleich der Wind das Laub zerfetzt, niederreißt und vom Zweige trennt; das macht mich nicht bestürzt, und ich gebe Gesang, Freude und Kurzweil nicht auf, vielmehr liebe ich den kalten Schnee und das Eis ebenso sehr wie ich den Sommer liebe, wenn „das umgekehrte Blühen" er scheint.

IL Große Schlechtigkeit begeht derjenige, welcher in ungehöriger Weise das nimmt, was er in Gnaden ohne schlechtes Mittel haben kann, aber ich sehe falsche (unge- rechte) Liebe, die [nicht richtig] wählt und zuteilt, so daß derjenige, der ihr am meisten dient, am meisten dabei ver- liert: aber ich würde mich für den Schaden bezahlt halten, wenn ich durch denselben Betrug, dem ich anheim fiel, die- jenige zu Grunde gehen sehen würde, die mich in die Quere führte.

III. In geschickter Weise zieht und hält falsche Freund- schaft auf dem Holzwege hin mit List und Schlauheit, aber ich gebe meine treue Liebe deshalb keinesfalls auf, und be- klage mich gewiß nicht über das Leid noch über den Kum- mer, die ich dadurch erlitten habe, wenn ich die Schönheit und die anmutige Gestalt derjenigen anschaue, der ich mich ergeben habe, in der Adel, Frohsinn und Trefflichkeit wohnen.

IV. Demütig, wahrhaft, mehr leidend als ein Laien- bruder, ohne Hinterlist und Tücke, [so] hat mich die Schöne gefesselt, die ich nicht verlasse; deshalb ist recht, daß ich in ihrer Liebe sicherer werde (d. h. mehr erreiche), indes entbiete ich ihr weder, noch sage ich ihr meine Wünsche außer in Gedanken , wie ein guter Liebender, denn ich fürchte, daß sie mir eine grausame Antwort geben würde.

V. Eine edle, heitere, anmutige Gestalt, ganz feindlich gegen alles Uebel hat die Schöne, die mir das Herz im Leibe

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verbrennt, und deshalb höre ich nicht auf, ihr öffentlich und im Geheimen zu dienen; wie das Kind, dem die Kerze ge- fällt, und das sich beim Spielen verbrennt, bin ich allzu sehr voller Verlangen: Bei Gott, Minne, Ihr seid für mich allzu schlimm und schlecht!

VI. Auf das Geschrei und Rufen der bösen Lügner, die voll schlimmer Tücke sind, achte ich gar nicht, sondern ich setze mich ganz allein abseits, dann schütte ich ihr offen mein Herz aus, die ich verehre, und wenn ich mich nieder- lege, sehe ich sie im Traum und halte sie in meinen Armen; durch diese Freude (in diesem frohen Traume) lebe ich reicher als der König von Persien.

VII. An den trefflichen König von Leon habe ich mich gewendet, denn Freude, Gesang und Kurzweil unterstützt er, und nie schuf er der Tüchtigkeit ein Hindernis,

VIII. Dem Markgrafen, dem Monf errat gehört, ent- biete ich, daß er hervortreten möge, ehe das Spiel ausge- spielt ist, und daß er nunmehr seinen „Schachbauern" zur „Königin" mache.

A n m e r k u n g e n.

3 ff. „Pois la fuoilla revirola / Que vei d'entr : Is cims cazer, / Qu{e / uens deromp e degoto, / Que no is pot mais sostener, j Mais pretz lo frech temporau / Que Vestiu plen de gandill" . . . Marcabru (Dejeanne) XXXVIII 1 ff. Lavaud beginnt mit v. 3 einen neuen Satz.

6 7. Ueber die Schwierigkeit, die diese Verse für das Verständnis bieten, handelt Levy S. W. III 105; zu lösen vermag ich sie nicht, da die Bedeutung von flors enversa unklar bleibt. , Heißt es doch bei Raimbaut d'Aurenga, Appel, Chrest3. 19, 1 ff.: „Er resplan la flors ennersa / pels trencans rdnex e pels tertres. I qu\a$s flors? neu$, gels e canglapis, / que cotz e destrenh e trenca, / dort vey morz qu\ils, critz, brays, siscles I pels fu\elsf pels rams e pels giscles." ,,Es ist doch zu verstehen ,,das Gegenteil einer Blume". Das paßt aber nicht zum Sinn der hier vorliegen- den Stelle." (Levy a. a. O.).

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Es scheint sich wohl aber dennoch auch hier um eine Bezeichnung oder Erscheinung des Winters zu handeln (wäre es nicht vielleicht denkbar, daß die Rauhreifbildung diesen poetischen Namen trug?? die Schilderung bei R. d'Aurenga würde dem ja nicht widersprechen ), und so bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß Elias zwei Gedanken miteinander verschmolz: unbekümmert um die Jahreszeit singt er und genießt Liebes freu de, denn er liebt (und zwar betont er ausdrücklich den Gegensatz) den Winter ebenso sehr wie den Sommer, aber nun kommt die Schwierigkeit so sehr wie er (sonst eigentlich!) den Sommer liebt und sieh nach ihm sehnt, wenn es Winter wird. Allerdings wäre dann eher fetz zu erwarten: „wie ich tat", d. h. wie ich den Sommer liebte. Diese Lesart wird aber von den Hschr. nicht geboten, falz aus Hschr. G. auf- zunehmen und zu übersetzen „wie Ihr den Sommer liebt" erscheint mir auch nicht ratsam. Ich möchte daher bei meiner obigen Auffassung bleiben, obgleich ich mir nicht verhehle, daß in ihr ein gewisser Widerspruch liegt. Lavauds Ueber- setzung: „J'aime autant la froide neige et La glace que je fais Tete, parait la fleur vers le ciel epanouie", erscheint mir keinesfalls annehmbar.

7. esHv ] Nicht nur bei der Bezeichnung von Monaten, Wochentagen und Festen fehlt im Apr. und Afr. häufig der bestimmte Artikel (Diiez, Gr. III 3 S. 27, Tobler V. B. II2 S. 120, Stimming, B. de Born1 zu 16,2), sondern auch bei den Namen der Jahreszeiten ist der Gebrauch schwan- kend. Mit A r it i k e 1 : „Liverns vc$ e : / temps s'aizina Marcabru XXXI 1 ferner ib. XXXVI Str. I, XXXVIII, 6 und 11. Peire Vidal (Bartsch) 34, 5; B. de Ventadorn (Appel) 26, 45; R. d'Aurenga Hschr. AS. 95, Nr. 87 v. 9; Cercamon (Dejeanne A d M XVII) III 4; Bernartz de Tot-lo-mon (Appel, Prov. Ined. S. 44) v. 8; Daude de Pradas (Appel, ib. S. 89) v. 9; Giraut de Bornelh (Kolsen) 16, 17; ib. 70, 2; Peire Guilhem de Luserna (Bertoni, I Trovatori d'Italia)

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XXIV 5; R. de Vaqueiras, Appel, Cbrest. 41, 20 etc. Ohne Artikel: ,,Don hancs inverns nos qeteia" Marcabru XXXVIII 21; Peire Vidal 28, 1; ib. 31, 1 ff.; B die Ventadorn 7, 13; G. de Bornelh 8, 5; Aimeric de Sarlat, Rayn. Choix III S. 386 v. 13; iB.' de Venzac (Appel, Prov. Ined, S. 50) v. 1 ; „Las quatre temporaus de Van / non vueill que fannon oblidan, / Co es primaver 'e estius, / automp e yvern ah sas nieus", Diätik Suehier, Denkmäler I v. 247 ff.

Und so ließe sich die Zahl der Beispiele ins Unendliche vermehren.

Für die afr. Prosa s. Fredenhagen, Ueber den Gebrauch des Artikels in der franz. Prosa des 13. Jhdts. 1907, S. 15 ff. Aus der Trouvere-Lyrik notierte ich folgende Belege: a) mit Artikel: „Au novel tens ke li yvers se brise" Gille- bert de Berneville (Scheler, Trouv. Beiges 1876) 5, 1; ferner Chatelain de Coucy (Fath) XIII ljGaceBrule (Huet) L, 1 ; b) ohne Artikel: „Puisqu amors se veut en moi / Herbegier / Riens ne vault se je recroi / D'envoisier / Por yver saunage". Gilleb. d. B'ernieville 29, 1; ferner Gonthier de Soignies (Scheler, Trouv. Beiges, Nouv. Ser.) 31, 1; Jacques die Ciisoinig (ib.) 7, 1 ff. 10, 1; Gace Brule, (Huet) II 1; Blondel de Neste (Wiese) II 2; Colin Muset (Bedier) II 1; Richard de Fournival (Zarifopol) 1, 2; ib. 10, 1 ff.

8. ad enuers ] ,,in ungehöriger Weise". Zit. Levy, S, W. III 106, 4.

10. amor ] ist gegen die Lesart aller benützten Hsebr. aufzunehmen, da das Prädikat im Singular folgt.

causis e pari ] „E vey qu Amors pari e cauzis, \ Per quieu n 'esper estre manens" Marcabru XL 3 ff. (Uebers. „Et que je vois Amour vouloir (?) se partager et choisir-, moi aussi, j'en attends une bonne aubaine"). Auch dort dürfte die Uebersetzung „zuteilt und [er] wählt" zutreffen- der sein.

Der Wunsch Cairels scheint, wenn nicht diesmal, so doch bei anderer Gelegenheit, in Erfüllung gegangen zu

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sein. Man vgl. seine Schadenfreude Nr. 3 v. 44 ff. und Nr. 10 v. 1,7 ff., darüber, daß die Dame, die ihn hinter- ging, nun ihrerseits betrogen wird. Der gleiche Wunsch der Vergeltung bei Uc de Saint-Circ XII 24 ff. (ed. S. de Grave et Jeanroy), sowie XIII 23 ff. „E vuoill qe il done prevenda / Aital cum donava a me, / E que ella Vam fasse / E q'el vas lieis si dehnda", (XII 24 ff.). „Del fals guali- amen / Que m'a fait lonjamen / Mi don Dieus venjamen / De drut, fals e savay, / Qu'aya tal cum seschai"; (XIII 23 ff.). Die Anm. zu XII 24 bringt weitere Beispiele. Vgl. auch Appel, B. v. Ventadorn, S. 325, Anm. zu Nr. 3 v. 46.

14. menar per trauersa ] ,,in die Quere führen". Levy P. D. traversa ,,chemin de traverse,\ „E si li platz, tenrai via traversa". Giraut Riquier, Bartsch, Chrest.4 Sp. 282 v. 10. „Ai pretz, quon iest mutz, sortz e guers, / proeza, cossi - us uei rota I e menar de tort en travers" . (Uebers. ,, kreuz und quer umhergezerrt") Peire d'Alvergne (Zenker) XIII 11.

Lavaud übersetzt: ,, Celle qua me mena par de longues traverses" und bemerkt, daß er unter ,,celle" die fals* amistatz der folgenden Strophe verstehe. Mir scheint Be- ziehung auf einen konkreten Fall, auf eine Dame vorzu- liegen.

15. trai e desten ]. Aehnlich sagt der Dichter Nr. 10 v. 13 ff. „Quela trai ab semblän gati / drut vera}i e l balans- sa". Baianssar ist ziemlich analog destendra per travers auf dem Holzwege hinhalten. Die Grundbedeutung von destendre ist „auseinanderspannen", und so hat d.p.t. eigent- lich den Sinn ,,quer auseinanderspannen". Einen weiteren Beleg für ähnliche Verwendung von destendre kenne ich nicht; Rayn. Lex. Rom. V 325 „Pus sos belhs ditz vol des- tendre" (,,Puisque, ses beaux propos il veut detenidre") R. de Miraval, Seih cui jois, ist unsicher, denn nur MG 1117 hat destendre, M G 1116, 1118 und 1119 hat despendre.

22. Stössel, Bilder und Vergleiche S. 36 § 178.

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uonuers Daß der Trobador sich mit einem Laien-

bruder vergleicht, ist vielleicht bemerkenswert. Steht dies in irgend einer Beziehung zu der Anspielung Isabellas Nr. 7 v. 37 ff. Cairel solle ins Kloster zurückkehren, worauf allerdings die Antwort erfolgt, er sei dort nie gewesen?

25. acert ] acertar „sicher werden, d. h. etwas er- reichen, Levy S. W. I 11. Raynouards Uebersetzung (Lex. Rom. II 385) „Parce qu'il est raison que je m'assure en son amour" ist zu unbestimmt. Der Sinn ist doch: es ist recht, daß ich in ihrer Liebe sicherer werde, d. h. mehr erreiche. Es ist bei diesem Verbum ein allmählicher Begriffs- wandel eingetreten, man hat schließlich nur noch das Re- sultat des acertar ins Auge gefaßt. Vgl. auch Mistral, Tre- sor, acerta „certifier, assurer, rencontrer, deviner, reussir" und ferner Lavaud, Les Poesies d'Arnaut Daniel, S. 302 zu v. 17: acert, s. m. „reussite". Den Vers Cairels übersetzt er: „Aussi est-il juste qu'en son amour j 'arteigne le but."

28. diversa ] ,,böse, grausam, schrecklich" als Be- leg bei Levy S. W. IV 254, 3. Rayn. übersetzt fälschlich „differente" s. Levy.

29. divers } Der lat. Grundbedeutung entsprechend ,, feindlich gegen". Denselben Sinn haben z. T. die Belege bei Levy S. W. IL 254, 3, für die „böse, grausam, schreck- lich" angegeben ist.

30 31. Vergleich der Liebe mit dem Feuer: Stössel S. 49; Niestroy, Pistoleta zu III 3.

32. en plan ni en desert ] Lavaudis Uebersetzung: ,,En tout Heu, plaine ou desert" hat keinen Wert. Levy S. W. VI 354, 25 plan ] „(öffentlicher) Platz" etc. „Ist auch Ray- nouards letzter Beleg hierher zu stellen?" Es folgt die vorliegende Stelle, die dann (nach Levy) den Sinn hat: ,,Ich höre nicht auf, ihr öffentlich (vor aller Augen) und im Geheimen zu dienen". Levys Deutung, die die Form einer Frage hat, ist zutreffend, man vgl. als weiteren Beleg: „De

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vos amar anz die en deseuhert I qu\e vostr om sui en plan et en desert" Guillem de Berguedan, M. G. 592 Str. 4.

Ueber plan ] als „Oieffentlichkeit" s. Levy, a. a. 0.

desert ] als Gegensatz zu plan: Aus dem Begriff ,, Wüste" entwickelt sich derjenige der „Einöde, Einsam- keit". Vgl. folgende Belege, wo es sich dem Zusammenhang nach nur um „Waldeinsamkeit95 handeln kann: „Verf son li ram e de fmlka aufaeri, / e - 1 rossinhol atu\g cHamhr el de- zert" R. Jordan, Appel, Prov. Ined. S. 291 (Grdr. 404, 13) v. 1 ff, und er. aus dem 15. Jhdt.: „Per Jhesu Christ, veray, iou crey, / Per aleuns segnah que wey, / Quie tu sias Placidäs, Que Hosiaci ceys cuppelas. AI quäl Eostaei\, pyer lo aeri, / Jhesu se apereys al desert (Jesus ist dem Eustachius auf der Jagd im Wald erschienen) Mystere de Saint Eustache, R 1 r. VIII (1888) 211. Daher kommt dann en desert zu der Bedeutung „heimlich".

33. Stössel, S. 66.

34. Uebersetzt Rayn. Lex. Rom. III 585 mit falscher Angabe des Verfassers.

Lavaud Liest mit C: en tal enlaiz „je suis tont ä fait en semblable seduetion" (??).

36. quil ni brai ] Beides ursprünglich Ausdrücke für (schrilles) Voge Ige schrei. Einen unserem Verse ähnlichen Beleg für quil, Levy S. W. VI 622, der fragt, wie quil hier zu deuten sei.

42. plus rics qüß l reis de Persa ]. Gemeint ist wo'hl der König Darius, der den Trobadors u. a. als Typus des reichen Mannes galt: Stössel, S. 55/ Birscih-Hirsclhfeld, Epische Stoffe S. 18 ff. „Car tot lo tesaur del rei Daire / valo doas peiras quei so", Bartsch, Chrest.4 268, 6 ff. „E polis val pauc rics hom, quan pert sa gen, / Qua Daire / rei de Persa fo parven Peire Vidal (Anglade) XXIV 15 ff.

43. rei de Leon ] s. S. 50 und 54 f. Sui vürdtz „je nte tourne" (?) Lav.

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44. Lav. übersetzt der Lesart von C entsprechend, der er folgt.

47. Lav. liest mit C und übersetzt nach A.

48. Wenn der Bauer am anderen Ende des Schach- bretts angelangt ist, so darf er in gleicher Weise springen wie die Königin, wird also gewissermaßen selbst zur Köni- gin. So schreibt Alexander Neckam (1157 '1217) in sei- ner Abhandlung über das Schachspiel über den „pedes": „Cum vero expleto cursu ultimam tenet lineam reginae dignitatem adipiscitur . . ." A. van der Linde, Gesch. u. Lit. des Schachspiels Bd. I S. 147. Strohmeyer, Das Schachspiel im Altfranz. (Toblerband S. 381 f.). Es ge- hören hierher die von Strohmeyer gebrachten diesbezüg- lichen Belege aus der Guerre de Metz, deren Sinn Strohm. richtig deutet, ohne jedoch auf den eigentlichen Kern des Vergleiches einzugenen.

Der Markgraf soll also endlich den Zug tun, der seinen Bauern zur Königin macht, d. h. er soll handeln, eine Ent- scheidung herbeiführen, lieber die Deutungen dieser Verse vgl. auch S. 28.

Das Bild des Schachspiels gebraucht Bertran de Born (Stimming) 2 Nr. 7.

43 ff. Als lobendes Geleit erwähnt bei Nickel, Serven- tes und Spruchdichtung S. 53.

Nr. 2.

A 51 (135 und Ar eh. 33, 441), C 233 Da 201—730, E 127, G (S. 269), H 32 (98), I 107, K 92, N 262—416 (ano- nym), a] 288 (35); erste Tornada Vers tost e corren etc. k 126 (Barbieri ed. Tiraboschi S. 126; Mussafia, SitzgsK Bd. 76, S. 219).

Gedruckt bei Lavaud (nach A) S. 460 und 479 ff.

Handschriftenverhältnis : Die Hschr. zeigen in ihrem Verhalten relative Sicher- heit und Beständigkeit. A steht v. 13, 14, 40 allein gegen

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H a1 D G, v. 13 zeigen sich jedoch in H noch Spuren der Les- art von A, und .so gebe ich letzterer Hschr. den Vorzug, v. 14, 40 kann man .schwanken, welche Lesart .die bessere sei, ich gebe wieder A, der zugrunde gelegten Hschr. den Vor- zug. Für die Sicherheit von A scheint in erster Linie v. 41 zu verbürgen, wo A a1 offenbar die gute Ueberlieferung bieten, a1 geht .übrigens auch v. 15, 21, 23, 31 im Verein mit H mit Hschr. A gegen D G. Von A H a1 stehen sich wegen v. 13, 14, 40 (s. o.) und v. 10, 18, 27 a1 H näher als a1 A. H seinerseits neigt v, 10, 29, 43 zu G, während zwi- schen G und a1 (und auch G und A) keine Verwandtschaft zu konstatieren ist. G steht mit den bereits erwähnten Versen 15, 21, 23, 31 (und 53 ff.) in naher Beziehung zu D (H in keiner zu D), dem gegenüber Verwandtschaft mit A v. 10, 29, 43 zurücktritt.

I. Ära non vei puoi ni comba on fuolha ni flors paresca, mas la blanca neu que tresca, meselad'ab ven et ab ploia; 5 per qu'ieu ai' talan que fassa saber lai en terra greiga, tal vers que ma domn'e ntenda, don vuolh ma razo soilssebre:

II. Plus es ses fei que colomba 10 ma dorn na vermelh'e fresca,

per que - 1 cors mi saut'e m tresca, quar sa valors creis e poia; mas mon cor trop fol quar cassa so qu'ieu non crei qu'aconsega.

I. 3. la blanca 1 lablaeha A, la iblamc a1; neu ] meuis DG. 4. venl] vcz O. 5. talent D. 8. mas razos (raizos a1) Da1. 9. coliunnlba Da1.

II. 10. doimna ver.meJlh'e ] dompn'e (döna G) vermeide HG, domne vermeille a1. 11. fehlt G; cor Ha1; men isauta e tresca a1; en

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15 Pero nuls !hioim non e n t e n d a , qu'ieu 1'am mais per joi recebre.

III. Qu'us rics savai's que trastomba fin'amor e IVntrelbesca, <se met ab domnas en trcsca, 20 et a la persona voia de valor e de be lassa, e tenli domna trop per pega que sofre, quVn lieis enteil da, ni camja pin per genebre.

IV. 25 Quautresi com la retoimba franh leu, e fai mainta lesca. franh amors, quan ab lieis tresca cel qu'ab sa ricor la loia, quVl vai dizen: „Tals m'abrassa 30 quVs pres de mi una lega";

tan tro que 1 maritz IV n t e n d a : Gardatz, si * lh deu saber pebre!

V. Si co ' 1 pescaire que ploniba en la mar e pren ab IVisca

35 lo peisson, que sautV t r e s c a , autresi - m ten pres en boia fin'amors \e no m deslassa.

tresca D. 12. vailior D; poia ] pwoia G, pueia a1. 13. maifl (mas a1) oor ai trop (troib a1) foil DO a1, mas mon cor ai trop fol H. 14. qu'acon&eg-a ] qe eomsega D G H a1. 15. niuls hoim ] megus D G. 16. qu'ieiii ] qe G; Fam mais ] l'atnas H; mais ] mas a1.

HI. 17. rias ] rirs a1; savais ] saviis G; trastomba ] trasrtumba a1, stratomba H. 13. e ) o a1; etitrebrescia H a1. 20. et a ] eca G. 21. be ] sen D G. 23. qam sofre D G. 24. camja ] icaimia G.

IV. 26. fehlt G; franh ] firain A. 27. amor camt (quant a1) a lei Ha1. 28. qu'ab sia ] cassa a1. 29. diizen que tals D; ital GH. 30. legua a1. 31. tro ] los DG.

V. 35. lo ] Li H. 37. wm. ] mo G, mm a1; d)e4assa fi;

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Doncs, pos ilh vol qu'iett la sega e qu'en tan ric luoc me n t e ni da , 40 pot me far ric o decebre.

VI. Soven cai e lev'e tomba cel cui fin'amors envesca

qu'ins el cor mi saut'e ; m t r e s c a ; mas ges maltraehs no m'^noia, 45 que - 1 cors la boca menassa quar so quieu plus desir nega: Doncs, sii ' lh platz, mos uolhs e n t e n d a ma domn', e pot s'aperceibre.

VII. Vers, tost e corren t'en passa 50 tot drech lai en terra igrega;

ma domna, si \ lh platz, t'e n t e n d a , qu'autra res no m pot 'erebre.

VIII. Lo marques de Massa cassa bo pretz on qu'el lo consega, 55 e totz lo mons vuolh que n t e n d a , que sa valors sembla pebre.

Ueb er setzung.

I. Nun sehe ich weder Hügel noch Tal, wo Blatt oder Blüte erscheinen möge, sondern den weißen Schnee, der zu- sammmen mit Wind und Regen wirbelt, drum habe ich Lust, dort in Griechenland ein solches Lied wissen zu lassen, das

amor D. 38. (don) Ga1; ilih ] el G, il a1; qu'ieu ] qe G; la ] le H; segua a1. 40. po>t ] per H; me ric far DGlHa1.

VI. 41. e lev'e t. ] en leu e tomba H, e guts (korrig.) tbeii tomba G; sovc'iit monta e lieu D. 42. amor G. 43. cors H; e*m ] e G H, en a1. 44. maltratcbs 1 mals-traliz H, lo mal tragz a1. 45. cor A. 46. negua aJ.

VII. 49 Ff. fehlt a1. 51. entenda A H (fentenda G Barbieri).

VIII. 53 ff. fehlt DGa1. 54. consegua A. 56. febre A.

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meine Herrin hören möge, von der ich meinen Gesang an- heben will.

IL Mehr ohne Galle als die Taube ist meine rosige, frische Herrin, deshalb hüpft und bebt mir das Herz, weil ihre Vortrefflichkeit wächst und steigt; aber mein Herz finde ich töricht, weil es dem nachjagt, von dem ich nicht glaube, daß ich es erreiche. Deshalb möge kein Mensch denken (verstehen), daß ich sie mehr liebe um des Gunst- empfangens willen.

III. Denn ein böser Reicher, der treue Liebe umstürzt und sie verwirrt (umgarnt, verwickelt), führt mit den Da- men einen Tanz auf, und er hat seine Persönlichkeit bar von Tüchtigkeit und des Guten überdrüssig, doch ich halte die Dame für allzu töricht, welche duldet, daß er sich um sie bemüht (um sie wirbt) , und [welche] die FicJkte mit dem Wachholder vertauscht.

IV. Denn ebenso wie die Glasschale leicht zerbricht und manchen Splitter gibt, [so] zerbricht die Liebe, wenn mit ihr derjenige ein Tänzchen aufführt, der sie mit seinem Gelde mietet, denn er sagt: „Eine gewisse umarmt mich, die in meiner Bannmeile ist( die mir eine Meile nahe ist);" so lange bis der Gatte es hört: Sehet zu, ab [es] ihm [nach] Pfeffer schmecken soll.

V. So wie der Fischer, welcher [den Köder] in das Meer eintaucht und mit dem Köder den Fisch fängt, der springt und zappelt, so hält mich die treue Liebe an der Leine (eig. Kette, Fessel) gefangen und läßt mich nicht los. Nun, da sie will, daß ich ihr folge und mich um einen so „reichen Ort" bewerbe, kann sie mich reich machen oder mich verderben (enttäuschen, betrügen).

VI. Oft fällt und erhebt sich und fällt [wieder] der- jenige, den treue Liebe betört (auf den Leim schickt), die mir drinnen im Herzen hüpft und bebt; aber Mißhandlung verdrießt mich keineswegs, denn das Herz bedroht den Mund, weil er das, was ich am meisten wünsche, leugnet:

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Nun, wenn es ihr beliebt, möge meine Herrin meine Augen verstehen und kann [es] bemerken.

VII. Lied, gehe schnell und eilends fort, geradewegs dorthin nach Griechenland; meine Herrin, wenn es ihr be- liebt, möge Dich hören, daß nichts anderes mich retten kann.

VIII. Der Markgraf von Massa verfolgt Tüchtigkeit, wo er sie zu erreichen vermöchte, und ich will, daß die ganze Welt hören möge, daß seine Tüchtigkeit Pfeffer scheint.

Anmerkungen.

2. Die Verbindung puoi ni comba in verallgemeinerter Bedeutung = ,, überall" (verneint , .nirgends") findet sich auch bei Bertran de Born (Stimming)2 19, 20: „Que l'assat- ges pe - 1 puoi e per la comba". In ihrer Grundbedeutung dagegen ist sie wohl bei Arnaut Daniel (Canello, Lavaud) IV 2 aufzufassen: „Lancan son pa\ssat li gitire, / E no i reman puois ni comba" ,,et qu il ne reste plus pour eux ni puy ni combe" (Lavaud). Canellos Vermutungen in Be- zug auf diese Stelle sind haltlos.

3. tresca ] ,, wirbelt (tanzt)"; inf. tmscar (subst. fnescaj. Zur Etymologie dieses Wortes s. Körting Nr. 3111 und 9524, sowie Meyer-Lübke, Zur Geschichte der Dreschgeräie. Wörter und Sachen I (1909) S. 211 ff. Die Herleitung von einem Verbum mit der Grundbedeutung ,, heraustreten", dann ,, Preschen" etc. dürfte nach M.-L. ziemlich sicher ge- stellt sein. Ich möchte nur noch einmal darauf 'hinweisen, daß zum mindesten für das Provenzalisiohe got. ßriscan als Etymon anzusetzen ist (vgl. auch Harnisch, Präs. und Im- perfekt-Bildung S. 254), da das e geschlossen ist. Die An- merkung Bosdorffs, Bernard von Rouvenac zu II 4 (Her- leitung von westgerman. ßrescan) ist dementsprechend zu berichtigen.

Aus der Bedeutung ,, tanzen", die das Verbum ansehei-

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nend schon frühzeitig annahm, entwickelt sich dann die all- gemeine Bedeutung „sich unruhig .bewegen hüpfen wirbeln beben etc. Schon Nostradamus (ed. Chabaneau- Anglade) bemerkt in seinem Glossar S. 202: „tresca semble qu'il vueilhe signiüer tressalhir" und zitiert Caiirel und zwar v. 43. Mistral: tresca („ djtäoxsiv" ??) „sauter, daniser, fretillier, bondir de joie, batifoler"; tresco „danse, contre-danse, branle (vieux)".

6 7. lieber die Herrin im Griechenland s. S. 37.

8. Es fragt sich, welche Uebersetzung das Richtigerfe trifft: „Von der ich meinen Gesang (Rede) anheben will" oder „von der ich das Thema (meines Liedes) entleihen will" (Levy S. W. VII, 756 ff. nur soisebre „entnehmen, entlehnen, borgen"). Lavaud übersetzt: „Elle, dont je veux tirer mon sujet."

9. Stössel, Bilder und Vergleiche S. 36, 6, 8, 13, 43. Hensel, Die Vögel in der provenz. und nordfranz. Lyrik des Mittelalters S. 64.

11. cors ]| Der Sinn ergibt ohne weiteres, daß es sich um cor „Herz" handelt, was ja auch die Var. H a1 andeutet. „Ren non sai que tant gran pena, quinz el cor mi na\is tresca' Raimbaut d'Aurenga, Hschr. A S. 104, Nr. 95 v. 10.

12. „Rajssa, tan cneis e monta\ e poh \ Cela qu'es de iotz enjans voia, / . . . . Que ' l uezers de sa beutat loia / Los pros a sos ops . . . B. de Born2 28, 1 ff. „Cor lor enols cneis e poia" Peire de la Mula (Bertoni, I Trov. d'It.) XI 3.

13. Die Lesart von A scheint mir die ursprünglichere. 13 14. Cnyrim, Sprichwörter . . . Nr. 516. „Mas

ar sai eu quel reprovier ditz vier: Tos temps not hom so c om no pot aver" Grdr. 366, 20 (iPeirol, M G 287 Str. 4) . Aehnlich Peretz, Apr. Sprichwörter Nr. 331.

16. mais } läßt eine zweifache Uebersetzung zu: ,,daß ich sie liebe außer" usw. oder „daß ich sie mehr liebe" usw.,

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letztere fügt sich, scheint mir, dem Sinne besser an. Joi ist natürlich in realistischem Sinne aufzufassen. ,,Que je Taime seulement pour recueillir une jouissance" Lavaud.

17—19. Lex. Rom. (Rayn.) V 372; Levy, S.W. III 78. „Führt einen Tanz auf" mit gleichem Doppelsinn wie im Deutschen (Lavaud „folätrer"). Auch in der Flamenca (Meyer)1 heißt es v. 8054 f.: „Cil del torneis movon lur tnesca I Per mfag lo prüf gran et espessw."

24. Rayn. Lex. Rom. III 456. Der Sinn dieser Verse hängt von der Auffassung des camjar per ah. Bartsch nimmt bei Besprechung von Peire Vidal 4, 34 (ib. S. 94) die Bedeutung „eintauschen" an. Die Stelle, um die es sich handelt, ist nicht sicher und außerdem entspricht diese Be- deutung nicht dem üblichen Sprachgebrauch, camjar per heißt gewöhnlich „vertauschen mit" vgl. Lex. Rom. II 298, ferner „Aquest non er ja camjatz ni per aur ni per argen* Wilhelm IX. v. Poitiers (Jeanroy) I 18. „Mas ben deu hom caimjar bon per meillor" Folquet de Marseille (Stronski) VI 27. „Non sai nuill ioi pier qwieu des ma\ dolor, / Gärdaltz sai ben camktt sen per follor!" Aimeric de Peguillan, Hschr. A S. 425, Nr. 390 v. 29 f. „Don mei huoill trahidor / ant camiat nis per plor", ib.. S. 429, Nr. 394 v. 21 f. „A lei de fol caml^dor / alt cafnht mal per peior" ib. S. 440, Nr. 406 v. 1 ff.

Elias hält demnach die Dame für allzu töricht, welche Wertvolles (die hohe, schlanke Fichte) mit Wertlosem (dem kleinen, stachligen Wachholder) vertauscht, d. h. den auf- richtigen, aber armen Liebhaber mit dem treulosen, reichen.

29. tals mabrassa ] „eine solche", d. h. „eine gewisse umarmt mich".

32. saber ]| in der Bedeutung „schmecken" s. Appel, Peire Rogier 2, 26 nebst Anm., Levy, S. W. VII 400, 16,

„Es soll ihm [nach] Pfeffer schmecken bedeutet natür- lich „es wird recht unangenehm für ihn sein". Unser „ge-

%

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pfeffert" wurde offenbar im Prov, in gleichem Sinne ge- braucht: „Remanc stes ioy e, caf non es j mos dretz saubutz, a tort blasmada; / aital salsa aiifal pebrdtfa\ / sabetz vos far als non gardatz." Raimon Vidal, so fo e * 1 temps (Corni- celi'us) v. 851 ff.

Der gedankliche Zusammenhang von Str. II, III, IV ist folgender: Voller Entsagung, d. h. nicht des Genusses von Gunst willen, liebt Elias seine Herrin (Schluß von Str. IL] Nun folgt eine allgemeine Betrachtung über den Wert der Gunst: der Reiche sei ja gern zu Liebesabenteuern bereit (se rnet en tresca), aber es sei zu hoffen, daß eine kluge Frau ihm kein Gehör schenke (Str. III), denn Liebe zer- bräche wie eine Glasschale, wenn sie zur Tändelei benützt werde, wenn die Gunst bezahlt würde, denn ein solcher Liebhaber würde nicht den nötigen Takt besitzen und dem Gebote echter Minne folgend schweigen, sondern er würde prahlen, daß ihm sein Geld Tür und Tor öffne etc. In Str. V kehrt der Trobador alsdann wieder zu dem Gedanken zurück, daß er seiner Herrin, die ihn gefangen hält, treu und aufrichtig ergeben, d. h. das Gegenteil eines ric sauai ist und stellt es ihr anheim, ihn durch ihre Gunst zu be- glücken.

Lavaud liest v. 20: „Quill (steht nicht da!) vai dizen und übersetzt nun v. 29 ff.: ,,Car la dame va repetant: tel m'embrasse qui est pres de moi ä une lieue. Jusqu'ä ce qu'enfin le mari le comprenne, songez, quelle saveur piquante cela doit avoir pour eile!" Als Anm.. zu lega: ,,Elle est aimee par quelqu'un place tres haut au-dessus ou tres loin (sie!) d'elle. Et cela la flatte (litteralement: a pour eile goüt de poivre [sicj) et eile cede". Eine auf eine falsche Lesart gegründete, in sich selbst widerspruchs- volle Auffassung, die wohl keines weiteren Kommentars bedarf.

33. plomba ] Ergänze l'esca als Objekt (Weshalb er- gänzt Lav. ,,le filet"?). Es handelt sich um Zusammenzug

$ _ 104

zweier Sätze; die Ohjektsbestimmung zu beiden Verben ist nur einmal ausgesprochen, obgleich „die Art ihres Verhält- nisses zu beiden Verben nicht die gleiche ist", Tobler, Verm. Beitz. III 2 15.

36. boia ] heißt „Kette, Fessel". Es ist zu bedauern, daß Cairel hier, wohl aus Rücksicht auf den Reim, diesen Ausdruck wählt, er zerstört damit das ganze Bild: Firi amors, die natürlich personnifiziert und mit der Dame iden- tifiziert wird, hat den Dichter wie einen Fisch mit dem Kö- der gefangen und läßt ihn an der „Angelleine" vergeblich zappeln ein Vergleich, der entschieden eine gewisse Originalität für sich in Anspruch nimmt und von dem sonst üblichen Vergleich mit dem Fisch, der ohne Wasser nach Luft schnappt, abweicht (Stössel S. 24) . Einen ähnlichen Vergleich verwendet (nach Appei) Bernart von Ventadorn 12, 8 ff.

39. ric luoc ] auf die Dame bezogen. Levy S. W. IV 418.

41. Eine andere Fassung der beliebten Antithese des cazer d'aut bas vgl. an letzter Stelle Uc de Saint Circ (Jeanroy et S. d. Grave) X 18 Anm.

v. 44 ff. ist nicht ganz klar. Was leugnet der Mund eigentlich? Lavauds Auffassung kann ich mich nicht an- schließen. Er liest quab cor und übersetzt: „Ce ehagrin-lä ne me tourmente pas, dont la bouche menace le coeur, car la mienne nie ce que je d£sire." Alle benutzten Hschr. haben jedoch quel und in DGHa1 steht cors.

48. Gewöhnlich sapercebre de.

51. t'entenda ] Lav. liest mit A entenda; ich ziehe Fortführung der Anrede vor.

49 52. Zitiert von Barbieri, Deirorigine -della poesia rimata, ed. Tiraboschi 1790 S. 126. Vgl. auch Mussafia, Sitzungsberichte ... Bd. 76, S. 219. V. 52 fehlt bei Barb. eine Silbe (rebre statt erebre) und seine Uebersetzung („Ch'altra cosa non puö da me ricevere") ist unrichtig.

105

53. S. Leibensnachrichten S. 30 und S. 32 ff.

56. Lavaud liest mit A febre, was unmöglich ist, da der Reim geschlossenes e verlangt.

Raym. Lex. Rom. IV 473 senta statt sembla, dement- sprechend übersetzt „sente poivre".

„Sein Wert scheint Pfeffer" bedeutet „er ist groß, außerordentlich. Gewürze waren eine Kostbarkeit (Alwin Schultz, Das höf. Leben . . .); Pfeffer wurde sogar bis- weilen als Bargeld verwendet (Larousse). Vgl. auch nfr. „eher comme poivre".

Nr. 3.

A 51 (137 und Arch. 51, 247), C 235, H 32 (100), N 263—418, R 59—501; Bernart de Ventadorn R 12—86. (In N anonym, von späterer Hand Cairels Name hinzu- gefügt.)

Gedruckt ibei Rayn. Lex. Rom. I 435; M W 3, 93; Bala- guer, III 145. Lavaud S. 479 ff. (nach Rayn.). Kritisch her- ausgegeben: Appel, Bernart v. Ventadorn S. 322 ff.

I. Estat ai dos ans

qu'ieu non fis Vers ni canso,

mas ara * m somo

la fuol'h' e 1 flors e ' 1 doutz cans, 5 que ' 1 rosisinhols fai,

qu'ieu vei sai e lai

caseun auzel ab sa par

domneiar;

e pos tot quan es, 10 s'alegra, be suii entrepres

s'ieu non can e no m'asolatz;

pero si - m sui alques f orzatz,

IL L a f o r z ' es tan grans

qu'ieu can, e ges no * m sap bo; 15 e vi tal sazo

que cantars no m'er' afans,

106

qu'avia 1 cor gai; mas ara non ai nul joi que m ma&s'alegrar 20 ni cantar;

pero s'ieu pogues

far la meitat de so qu'ieu pes,

eu baissera las poestatz

per que 1 segles es desonratz.

III. 25 Desonor s e dans

creis ide malvada razo,

que ' Lh princ' e lh baro

an baissat pretz e bobans,

don valors decai, 30 e negu non sai

per cui puosca redreissar,

que ' lh avar

an tan sobrepres

totz cels qu'eron larc e cortes, 35 que ses colp los an encaussatz,

don cascus deu esser b 1 a s m a t z,

IV. Blasmes et erugans

es, qui porta cor felo

ab humil faisso 40 et ab amoros semblans;

pero no m'escai

qu'ieu mi met'en plai

de lieis cui soli'amar,

qu'enganar 45 Ten vi plus de tres,

mas ar n'a tal causit e pres

que n'a mi e ls autres vengatz,

cui ela teni' encantatz.

V. Cansos, drogomans 50 seras mon sen'hor Coino,

107

e iuo * im ocaitso

quar ieu no l'ai vist enans,

que la gens de sai

dizoo qu'el val mai 55 que negus; pero be/ in par,

si parlar

negus en volgues,

qu'ieu lo veirai ans de dos mes ;

e si ma cansoneta * lh platz, 60 ma domn' Isabel sia 1 gratz.

VI. Nuls hom non pot (be cantar ses aimar; pero s'ien agues

gaia domna tal que m plagues, 65 ges no sui tan idesesperatz qu'ieu non ames, si fos amatz.

Uebe r s e t z u n g.

I. Zwei Jahre habe ich [es] unterlassen, einen „Vers" oder eine „Canzone" zu dichten, aber nun fordert mich [da- zu] das Grünen und Blühen auf, und das süße Lied, das die Nachtigall singt, denn ich sehe hier und dort jeden Vogel seinem Weibchen den Hof machen; und da alles, was ist, sich belustigt, bin ich sehr verwegen, wenn ich nicht singe; aber doch werde ich [dazu] etwas gezwungen.

IL Der Zwang ist so groß, daß ich singe, und doch ge- fällt, [es] mir nicht (bin ich nicht zufrieden) ; und ich sah eine solche Zeit, wo das Singen mir keime Mühsal war, denn ich hatte ein frohes Herz; aber nun habe ich keine Freude, die mich zum Freuen und Singen veranlaß te; aber wenn ich die Hälfte von dem, was ich denke, tun könnte, würde ich die Machthaber erniedrigen, durch welche die Welt ent- ehrt wird.

III. Unehre und Schade erwächst aus schiechtem Ver- halten, denn die Fürsten und Herren haben Preis und

108

Pracht (pL) vermindert, wodurch die Tüchtigkeit in Verfall gerät, und ich weiß niemand, durch den sie sich wieder auf- richten könnte, denn die Geizigen haben so sehr alle die- jenigen unterjocht (die Oberhand 'gewonnen), welche frei- gebig und edel waren, daß sie sie ohne Gewalt (Schlag!) vertrieben haben, wofür ein jeder getadelt werden muß.

IV. Schande und Betrug ist [es], wenn einer ein arg- listiges Herz mit demütiger Miene und liebevollen Ge- bärden trägt; dennoch ziemt es mir nicht, daß ich mich mit derjenigen abgebe, die ich zu lieben pflegte, denn betrügen sah ich sie so mehr als drei, aber nun hat sie einen solchen erwählt und genommen, der milch und die anderen dafür gerächt hat, die sie bezaubert hielt.

V. Lied, Dolmetscher wirst Du meinem Herren Coino sein, und er möge mich nicht schelten, daß ich ihn zuvor nicht gesehen habe, da die Leute hier sagen, daß er mehr vermag als irgend einer; aber es scheint mir gut, wenn keiner davon (d. h. von dem Gedicht) würde sprechen wol- len, daß ich ihn vor [Ablauf von] zwei Monaten sehen werde; und wenn mein Lied ihm gefällt, möge der Dank meiner Herrin Isabella gebühren.

VI. Niemand kann gut singen ohne zu lieben, aber, wenn ich eine heitere Herrin hätte, wie sie mir gefallen würde, bin ich keineswegs so verzweifelt, daß ich nicht lieben würde, wenn ich geliebt würde.

Anmerkung.

Laivaud (S. 479 ff.) ist in Lesart und Uebersetzung Raynouard fast immer gefolgt, es erübrigt sich daher, aui letztere besonders einzugehen. Abweichende Lesart von Rayn.: v. 7 und v. 29 ist die fehlerhafte Flexion nach A berichtigt; v. 14 no me für no m scheint ein Versehen zu sein; v. 46 liest Lav. mas riai aital chauzida pres. Grund? Lebensnachrichten s. S. 13 ff,.

109

0

Nr. 4.

A 52 (140 und Auch. 33, 444), Da 176—623, E 129, H 33 (103), 1406, K 91, M 203.

Gedruckt bei Lavaud (nach A) S. 480. Kritisch her- ausgegeben: De Bartholomaeis, La Canzone „Fregz ni Neus" di Elia Cairel, Memorie della R. Aceademra delle Scienze deH'Istituto di Bologna. Classe die Scienze Morali I, T. I 1912, S. 89 ff. (nach E).

Handschriftenverhältnis:

De Barth, begnügt sich mit Scheidung in zwei Hand- schriftengruppen AD (I K) + EHM. Ganz m einfach liegen die Verhältnisse nicht. Durch v. 8 (persegre gegen asegre (I K) H, ab segre EM), v. 21 {quie lo doutz li payeis agra gegen ijue la dousal p. er. D (I K), qm dousa p. a. H, que la dousa p. a. E M) und v. 30 [faitz gegen chan D (I K) E H M) erhält A eine gesonderte Stellung (s. Anmerkun- gen) . Es ist also in den beiden Gruppen A D (I K) + E H M, in die sich die Hschr. durch v. 6 [tenon cor A (IK), ienon nom D, fan valer EHM), v. 15 (per mi •/ die AD (IK), per mi o seti EH, per me sai M), v. 22 [la prima AD (IK), saprima EHM) und v. 27 [sim volgues AD (IK), sis volgiies E, sil volgues HM) scheiden, die erste Gruppe in A + D (I K) zu zerlegen. V. 31 (s. Var. Anm. S. 118 f.) gelangt man zu einer Scheidung in A (IK) -f- D + EHM, wobei wahrscheinlich D zu E HM zu stellen ist, weshalb ich in diesem Falle nicht die Lesart von A bevor- zuge. V. 32 hat A consegre, H D (I K) plus segre, E M segre. Es ist fraglich, welcher der beiden Vordergruppen E M anzuschließen ist.

I. Freitz ni ven no m pot destrenher qu'ieu non can e no m'alegre; pero be sai que mais plagra cansoneta de leu rkna

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5 a la gen desconoissen

que tenon car so que non es val e n.

IL Lo v a 1 e n volon empenher et encaussar et assegre, e die vos, que no m desplagra, 10 si la razitz tornies eima de joven sobresaben, per cui valors e jois torn'en n i e n.

III. De nie n se cuja feniher cel que vol amor persegre:

15 per mi 1 die, que mestier m'agra, lo jorn qu'ieu perdiei rescrima folamen, que rardimen agues perdut si com perdiei lo s e n.

IV. Non äsen qui vol atenher 20 lai on non pot aconsegDe,

que la dotz li pareis a,g)ra

on plus sotilnien s'aprima,

e si pren so qu'es luzen:

si no ' s garda, penra lo fuoc a r d e n.

V. 25 Qui l'a r d e n fuoc pot estenneir d'amor ben a - 1 sen entegre, quar si m volgues, to'tz temps jagra del mal don lo fols lagrxma ses aten- dre guarimen 30 qu'anc no mi valc bels dichs ni fach p 1 a z e n.

VI. Lo p 1 a z e n rei qu'ar es senher d'emperi non puosc plus segre, qu'el ten ma persona magra, si que non pot mordre lima, 35 e part m'en forzadamen,

qu'el et amors m'an valgut engalmen.

VII. Vers, vai t'en tost e corren,

e non sai om qu'ieu te segrai breuimen.

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U e b e r s e t z u n g.

I. Kälte und Wind können mich nicht bedrängen, [so] daß ich nicht singe und mich freue; aber ich Weiß wohl, daß den törichten Leuten, die das werthalten, was nicht wertvoll ist, mehr ein Lied mit , »leichtem Reim" gefallen würde.

IL Das Wertvolle wollen sie zurückstoßen und ver- treiben und verfolgen, und ich sage Euch, daß mir nicht mißfallen würde, wenn bei der überklugen Jugend, durch die Tüchtigkeit und Freude zunichte wird, das Unterste zu ober st gekehrt würde.

III. Mit nichts beabsichtigt sich derjenige zu bemühen, welcher die Liebe verfolgen will: für mich sage ich dies, daß ich notwendig gehabt hätte, daß ich den Mut verloren hätte, so wie ich den Verstand verlor, an jenem Tage, wo ich in törichter Weise die Verteidigung verlor.

IV. Verstand hat nicht, wer dort [etwas] erreichen will, wo er nichts erlangen kann, denn der Wasserlauf er- scheint ihm bitter [da], wo eir sich am feinsten verdünnt, und wenn er das ergreift, was glänzt, wird er, wenn er nicht acht hat, das brennende Feuer ergreifen.

V. Wer das brennende Feuer der Liebe auslöschen kann, hat wohl den Verstand unversehrt, denn, wenn ich gewollt hätte, würde ich immer an dem Uebel krank ge- legen haben, über das der Tor weint, ohne Heilung zu er- warten (oder zu erreichen?), denn niemals half mir schöne Rede und anmutiges Tun.

VI. Dem gefälligen König, welcher nun Herr des Kai- serreiches ist, kann ich nicht mehr folgen, denn er hält meine Person mager, so daß die Feile nichts abbekommen kann, und ich trenne mich gezwungenermaßen von ihm, denn er und die Liebe haben mir gleich [wenig] geholfen.

VIL Lied, gehe schnell und eilends fort, denn ich werde Dir bald folgen doch weiß ich nicht wohin!

112

A n m ie r k u mg e n.

1. Weder De Bartholomaeis noch sein Rezensent Je- anroy (Rom. 42 [1913], 592), noch auch Lavaud, haben den Binnenreim im ersten Verse jeder Strophe beachtet. Nur in Str. I (v. 1)) wahrscheinlich durch Ungeschicklichkeit eines Schreibers, dem die gebräuchlichere Form freitz ni neu untergelaufen ist, zumal auch das Wortbild die Ver- wechslung erleichterte, ist der Reim verderbt. Es ist daher Pillets Vorschlag anzunehmen und v. 1 ven statt neus zu lesen, vgl. Metrik S. 56. Den 5. Vers (der in 2 Hälften zerfällt) sehen De Barth, und Lav. als zwei ge- sonderte Verse an. Dem wird nicht so sein, vielmehr han- delt es sich um einen Vers mit Binnenreim, der nein seh ungefähr dem ersten Verse der Strophe entspricht, nur daß wir es hier mit einem Siebensilbler, im 1. Verse dagegen mit einem Achtsilbler zu tun haben.

pot ] Vgl. Schluß der Anm. zu v. 30. Immerhin wäre der Singular des Verbums in unmittelbarer Folge auf ein Nomen im Plural auffällig und findet sich nicht unter den von Diez, Gram. 3 S. 298 ff. behandelten Fällen. Wir werden daher wohl doch ven als Singular aufzufassen und Flexionsverletzung anzunehmen haben. Sonst findet sich allerdings eine solche nicht bei Cairel.

3. Elias Cairel ist also ein Anhänger des trobar clus. Einen Ueberbliek über diese literarische Richtung der Tro- badors gibt an letzter Stelle Andraud, Quae iudicia de litteris fecerint Provinciales, Teil I, Kap. 1, vgl. ferner von neueren Arbeiten Wechssler, Kulturproblem S. 94.

4. leu ] Levy, S. W. IV 372.

5. desconoissen vgl. Anm. zu 12, 16. Die Ueber- setzung ,, töricht" vermag den Begriff des Wortes nicht zu erschöpfen; , »mißachtend" würde dem Sinn besser ent- sprechen.

- 113 -

6. Jeanroy (1. c.) will aufnehmen que fan valer ge- stützt auf die Klassifikation der Hschr. (ADIK + EHM), Daß die Antithese durch Jeanroys Text besser hervorge- hoben wird, leuchtet mir nicht ein. Da ich Hschr. A zu- grunde gelegt habe, sehe ich nicht ein, warum die an sich einwandsfreie Lesart que tenon car nicht beibehalten wer- den kann.

7. AEHM hat los-, AEM Valens. Jeanroys und Lavauds Lesart los Valens ist der Strophenverknüpfung wegen abzulehnen.

8. Hschr. A hat v. 8 und v. 14 per segre (und so liest auch Lavaud) . Deutet dies vielleicht darauf hin, daß über- haupt v. 8 und v. 14 die Verben persegre und asegre mit einander zu vertauschen sind? Aus Rücksicht auf die Grundbedeutung beider Verben (persegre „einen Feind verfolgen"; asegre „ein Ziel verfolgen, erreichen") wäre eine Vertauschung entschieden erwünscht, da der Sinn da- durch gebessert würde. V. 14 könnte man hierüber allen- falls im Zweifel sein, v, 8 aber wäre synonym zu empenher und encaussar ein persegre unbedingt besser am Platze. Da aber sämtliche Hschr. übereinstimmen, wage ich es nicht, eine so einschneidende Veränderung des Textes vorzu- nehmen.

10. Cnyrim, Sprichwörter .... Nr. 392.

11. de joven ] del ioven, De Barth.

12. tornen nien Aufgenommen ist die Lesart der

besseren und überwiegenden Hschr. ADaE M. tornar wird mit en und mit a konstruiert und zwar ohne Rück- sicht auf den aktiven oder passiven Sinn des Verbums. Vgl. Appel, Chrest. Gloss.; Appel, Bernart v. Ventadorn. Gloss. Weitere Belege: „E lo noves es en Raimbautz, / que - s fai de son trobar trop bautz; / mos ieu lo torne a nien" (Hschr. A hat torni en nien) Peire d'Alvergne (Zen- ker) XII 55 ff.; „Sol que fins drutz non torn en descapdel" ,

114 »

Guillem de Saint Leidier Hschr. A S. 408 Nr. 374 v. 36. „Car de gerra vei tart pro e tost dan, / e de gprral fdi tor- nar mal en peior" Aimeric de Peguillan, Hschr. AS. 421 Nr. 386 v. 3 f. „Et autresfortz ses Dieu torri en nkn", Fol- quet de Marseille (Stronski) XIX 50. Dels majors mou totd malviestatz, / E pois apres de gra\ en gra dissen / Tro al menors, per que torna a nten I Joh e pr\etzf si qu\e ..." Sordello (De Lollis) XVI 29 ff.; ferner ib. XXXX 289 ff.; „Mas cel onors tornaral ä nien, I S'es tals la fis dorn fetz comenzamen' , Bertran de Born2 (Stimming) II 15 f. „Que cel e terra!, tot ardra I et a nient tot tornara" Stichler, Denk- mäler (15 Zeichen des jüngsten Gerichts) I S. 164 v. 250 f.

13 ff. De Barth, übersetzt: ,,Di nulla suole preoecu- parsi colui che si pone a perseguire Amore; quanto a me, so che mi sarebbe mestieri [di preoccuparmene] ; 11 giorno ch'io persi la partita [che avevo] follemente [impegnata contro Amore] , oh, avessi io perduto l'ardire cosi come perso il senno!" Hierzu bemerkt Jeanroy: ,,Le sens est ä mon avis: ,,celui-lä croit tort] entreprendre une chose facile qui se mele d'aimer"; pour ce sens de cuidar voy. Levy, S.W. Nr. 2; pour celui de se fenher ibid. Nr. 3. Le sens propose s'accorde avec celui des vers suivants qui n'a pas ete saisi: il faut lire au v. 17 (v. 15) per me / sai et remplacer, ä la fin du vers, le point virgule par une virgule: ,,je le sais par moi-meme et il eüt fallut que le jour je perdis la partie, je perdisse aussi la hardiesse et la raison."

Ich fasse die Verse anders auf (vgl. Uebers.) und möchte den Sinn etwa folgendermaßen wiedergeben: „Wer sich verliebt ist ein Tor. Hätte ich doch Mut u n d Verstand an jenem Tage verloren, wo ich der Liebe unterlag", (cujar ,, beabsichtigen etw. zu tun, Appel, Chrest. Gloss.; se fenher „sich bemühen", Levy S.W. III 439 ff. Nr. 3).

Lavauds Auffassung stimmt in den wesentlichen Punk- ten mit der meinigen überein. Ich gebe sie in Anbetracht der Schwierigkeit der Strophe auch wieder: ,,C'est un rien

115 -

qu'il croit entreprendre celui qui veut poursuivre ramouri je le dis pour moi, car il me serait besoin que le jour je perdis follement toute defense envers lui, j'eusse aussi bien perdu la hardiesse que je perdis l'esprait".

v. 16. Der Ausdruck perdre l' escrima bedarf noch einer Erörterung. Dem Sinn nach kommt er dem perdiei lo sen gleich. Der Bedeutung nach ist es „Fechten" im Sinne einer Defensive, d. h. ,, Schutz, Schirm, Verteidigung"; da- her übersetzt Lavaud zutreffend „defense", eine Bedeutung, die auch Levy im P.D. angibt (S. W. fehlt escrima, es wird dort nur escrimir „fechten" angegeben). Elias sagt also, er vermochte sich nicht mehr zu verteidigen, er verlor den Verstand. Weitere Belege für escrima „Verteidigung": Mil messas nattg e'n profieri I E'n ort lum de cera e d'oli / Que Dieus m'en don bon issert / De liels on no m val escrima" ; Arnaut Daniel (Lavaud) X 15. ,,Per que noy puesc nul escrima / Trobar ans trop ai suffert I De far parer la conquiza. R. d'Aurenga (Jeanroy, Poesies provencales inedites, A D M XVII 486) XII 14 ff. „M as el destreich / d'amor tant no ' m escrim / sui $e que äs deich, I e no m'en val escrima". Aimeric de Peguillan iHschr; A S. 436 Nr. 402 v. 13 ff.

17. que ] quieu De Barth; da alle Hschr. außer A ieu haben. Sollte sich dieses ieu aber nicht von v. 16 her eingeschlichen haben?

Betrachten wir nun nach Besprechung der Einzelheiten die ganze 3. Strophe im Zusammenhang des Liedes und er- örtern wir bei dieser Gelegenheit Thema und Gndan- k e n g a n g desselben: Das Thema wird v. 36 zusammenge- faßt: Verachtung und Aufgeben der Liebe, die den Dichter in gleicher Weise im Stich gelassen hat wie der Kaiser. Von diesem Standpunkte aus ist der Gedankengang zu verfol- gen: Elias singt allen Widerwärtigkeiten zum Trotz, ob- gleich er weiß, daß ein leichtes Lied mehr Beifall bei den

116 -

Leuten finden würde, die wahren Wert nicht anerkennen (Str. L).

Unheil wünscht der Trobador daher der Jugend, die valor e pretz vernichtet (Str. II.).1

Heutzutage ist infolgedessen ein Tor, wer sich mit Liebe abgibt usw. s. o. (Str. III.).

Er hat keinen Verstand, denn er erstrebt Unerreich- bares und wird sich nur die Finger verbrennen (Str. IV).

Unversehrten Verstand hat deshalb nur, wer das Lie- besfeuer auslöschen kann. Beweis hierfür ist Cairel selbst, der, wenn er gewollt hätte, ständig hätte Liebeskummer haben können, da ihm anmutige Worte und Taten nie halfen. (Str. V.)

Hierauf wendet er sich an den Kaiser, den er gleich- falls tadelt, um mit den oben schon erwähnten Worten „el et amors man valgut engalmen" zu schließen (Str. VI.).

19 12. Cnyrim, Sprichwörter . . . Nr. 517.

21 22. Bereitet wiederum Schwierigkeiten. De Barth, übersetzt: ,,11 dolee gli pare acre colä dove piü isottilmente si assottiglia [nel desiderio]." Jeanroy (1. c.) äußert sich folgendermaßen: „Vaprima, quoique assez peu appuye (A D IK), donne peut-etre un sens meilleur que s'aprima: „le douic objet (qu'il poursuit) lui parait aigre ä m'esure qu'il le serre de plus pres." (aprimar?!)

Es fragt sich, ob wirklich dousa ,, Süßigkeit" aufzu- nehmen ist, oder ob nicht A im Gegensatz zu allen übrigen Hschr. allein das unbekanntere doutz fdotz) bewahrte, das die anderen Schreiber in douza umwandelten, weil ihnen Wort und Sinn der Stelle nicht recht klar war. Bei dem folgenden agra lag dies ja so nahe, daß die Schreiber völlig

1. Man vgl. die Klage über die Jugend in Nr. 13, das wahr- scheinlich einige Jahre nach Nr. 4 verfaßt wurde. Befindet sich Cairel bereits am Lebensabend und hat kein Verständnis mehr für die Jugend?

- 117 <

unabhängig voneinander auf denselben Gedanken verfallen konnten! Ich halte es also nicht für richtig, die Lesart von A aufzugeben, zumal man mit ihr ganz gut durchkommen kann, obgleich der Sinn der Stelle nicht so einfach zu finden, aber dafür klarer ist als bei De Barth, und Jeanroy. Elias hat ja übrigens auch im Eingang ausdrücklich „una canso neta de leu rima" verschmäht, so daß wir uns auf Schwierig- keiten gefaßt machen müssen, wenn wir seinen Gedanken- gängen folgen wollen. Levy S. W. II 294 handelt unter dous über die vorliegende Stelle und bezweifelt, daß doutz als feminine Form von dous anzusehen sei. Er fragt viel- mehr, ob es sich hier nicht um doutz == dotz ,, Quelle, Was- serlauf, handelt (vgl. auch Levy P. D. = „source, courant"). In der Tat ist auch Neuprov. dous erhalten. Mistral (Tre- sor) schreibt: „d.— soucre, petite, source ä fleur de terre, con- duite d'eau, Ouvertüre par l'eau coule; le Doux, riviere du Vivarais, affluent du Rhone; la Doux, nom de ruisseau frequent en Perigord et Languedoe". Die Bedeutung „Was- serlauf" erscheint demnach gesichert, und ich übersetze im Anschluß an Levy: „Denn der Wasserlauf erscheint ihm [da] bitter, wo er sich am meisten verdünnt", d. h. wenn der Wasserlauf isich so verdünnt, daß er am Versiegen ist, so erscheint er ihm bitter, d. h. unnütz, so daß er seinen Durst nicht stillen kann, er erlebt also eine Enttäuschung, wo er es nicht erwartet.

Lavaud übersetzt doutz mit „source", doch ist seine Auffassung nicht einwandsfrei: „Car il lui semble qu'il sai- sira (wo steht das?) la source ä Tendroit plus subtil e- ment eile s'amincit."

25 26. fuoc . . . d'amor ] Trennung vom Beziehungs- wort, Schultz-Gora, Elementarbuch 2 § 212, s. auch Anm. zu 12, 9—10.

27. „qu'ar fear Lav.) sim volgues tostemps ftotz temps Lav.) i agra" De Barth. Lav. (v. 31). Uebersetzungen: ,,Ora s'io volcssi [far cio], sempre vi avrei (di quel male

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per cui lagrima . . , .)" De Barth.; ,,ear si j'y consentais, toujours en cet etat, j'aurais part (au mal dont 1'insense.)" Lav. Zum Text von De Barth, bemerkt Jeanroy: ,,La lecon sis (appuyee par sil de H M) est preferable: ,,si Amour l'avait voulu, je continuerais ä le servir."

Meine Lesart ist wiederum abweichend. Abgesehen davon, daß agra in der 3. sg. prs. ind. (wie De Barth, liest) eine Wiederholung des Reimwortes von v. 15 bedeutete, liegt auch kein rims equivocs (1. sg. prs. ind. Jeanroy) vor, sondern die 3. sg. condit. von jazer, das im Sinne von ,, krank liegen" [von oder an einem Uebel] belegt ist: „Dompna, greu puosc vius remaner, / car no us vei gaire ni vos^rne, I e quf so qu[e drna no ve, / non pot de peior mal iazer." Gaucelm Faidit, Hschr. AS. 227 Nr, 212, v. 11 ff. guarimen J v. 29 läßt ohnehin auf ein ,, Krank liegen" zurückschließen. Lesart granmen A H (Lav.) ist abzu- lehnen.

29. atendre } kann sowohl „erwarten" als auch „er- reichen" bedeuten, doch scheint mir das erstere wahrschein- licher, wie denn auch De Barth. ,,sperar", Lav. „attendre" übersetzt.

30. „C'anc no mi valgon dig ni chant plazen" De Barth, (v. 35). Nur A hat faitz, das als Variante bei De Barth, fehlt. Auch hier wird man wieder A den Vorzug geben müssen; dig und chant besagen dasselbe, und A wird als die einzig korrekte Ueberlieferung anzusehen sein. Im übrigen lese ich in Uebereinstimmung mit Jeanroy: „qu'anc no mi valc bels digz ni fait fchan Jeanroy) plazen, welcher bemerkt: ,,La construction de ces deux sujets, dont le pre* mier est au singulier, avec un verbe au singuliier n'a rien de choquant."

31. Lavaud folgt wie immer Hschr. A. Ich gebe die Lesart von De Barth, (v. 36) mit allem Vorbehalt wieder und stelle zum Vergleich noch einmal alle Varianten zu- sammen:

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lo plazen rei qm et senket A (I K) qu\es en D car et H

qttqr es E qet es M,

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Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die Lesart von A (I K) sich eventuell ihalten läßt, da Hiatus bei Cairel bisweilen vorkommt, und infolgedessen der Vers auch so die nötige Silbenzahl aufweist. Abgesehen von diesem Einwand aber stimme ich De Barth, zu. senher d'empeti ] In ihm sieht man, das ist m. W. von niemandem bezweifelt worden, Kaiser Friedrich IL, da Elias ihn auch in Nr. 11 und Nr. 13 (dort allerdings nur „Vempetadot gen") nennt.